Madagaskars Präsident Ravalomanana wurde durch den Sieg seiner Partei
bei den Nationalratswahlen in seinem Amt bestätigt.
ident Marc Ravalomananas Partei „Ich liebe Madagaskar“(TIM) hat bei den vorgezogenen Nationalratswahlen am 15. Dezember 2002 102 der 160 Parlamentssitze erhalten. Die Wahlen waren von der internationalen Gemeinschaft gefordert worden, da der Wahlausgang bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2001 umstritten war. Nach dem Vorwurf des Herausforderers Ravalomanana an den Langzeitpräsidenten Didier Ratsiraka von der ex-kommunistischen Partei AREMA, er habe das Wahlergebnis gefälscht, war Madagaskar ein halbes Jahr durch Ausschreitungen und Blockaden gelähmt gewesen.
Die Unruhen hatten das Land, das weltweit zu den ärmsten zählt, noch weiter verarmen lassen. „Ein halbes Jahr konnte ich meiner Arbeit nicht nachgehen“, erzählt Laurent, der für eine Mietwagen-Agentur TouristInnen durch das Land chauffiert. „Benzin war nicht mehr erschwinglich, die meisten Brücken des Landes waren gesprengt.“ Heute sind sie zumindest provisorisch wieder aufgebaut.
Dennoch sind Madagaskars Straßen, deren Instandhaltung seit Jahrzehnten vernachlässigt wurde, nicht leicht befahrbar. Die viertgrößte Insel der Welt hat die eineinhalbfache Größe von Deutschland und verfügt über 50.000 Straßenkilometer, von denen aber nur 6.000 km asphaltiert sind. Die streckenweise seit den 70er Jahren nicht mehr in Stand gesetzte Nationalstraße in Richtung Norden ist bereits zu Beginn der Regenzeit im Dezember nur mühsam passierbar; während der Regenzeit verschlimmert sich die Situation. Eine 160 km lange Lehmpiste kann selbst bei normalen Verhältnissen im Jeep nur in zwölf Stunden bewältigt werden. LKWs, die im Schlamm stecken bleiben und oft zu kippen drohen, brauchen noch länger, ebenso die Sammeltaxis, auf die die Bevölkerung angewiesen ist.
Wir erreichen den Verwaltungsbezirk Bealanana in der Westprovinz Mahaganda, ein 1600 m hoch gelegenes Reisanbaugebiet mit über 80.000 EinwohnerInnen. Die Verwaltungshauptstadt verfügt gerade über eine kleine Apotheke. Kranke müssen ins 150 km entfernte Spital in Antsohihy transportiert werden. In der Regenzeit ist die Brücke am Weg dorthin allerdings oft überschwemmt und unpassierbar. Die madagassische Kulturministerin Louise Rahaingosoa von TIM, die den Bezirk Bealanana im Parlament vertritt, erzählt, dass deshalb schon viele Menschen hier am Weg zum Krankenhaus sterben mussten. Die medizinische Versorgung liegt in diesem Land, in dem 80 Prozent der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze leben und keinen direkten Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, völlig darnieder. Malaria ist die zweithäufigste Todesursache und vor allem in den Küstenregionen verbreitet, im Hochland gibt es noch Lepra. Laut UNICEF kommt auf 17.000 EinwohnerInnen ein Arzt, in Österreich liegt dieses Verhältnis etwa bei 1 zu 200.
Die Kulturministerin berichtet weiter, der Straßenbau habe für TIM die absolute Priorität. Erst dann hätten auch die fruchtbaren Gegenden die Möglichkeit, Reis, Fleisch und sogar Vanille zu vermarkten. Geplant sei zudem der Bau eines Dammes, um zwei bis drei Reisernten im Jahr zu ermöglichen. Aber das kann nur der erste Schritt des Strukturaufbaus sein, denn Bealanana verfügt weder über fließendes Wasser noch über eine Telefonleitung. Drei nagelneue blitzblaue Telefonzellen sind zwar schon am Hauptplatz zu sehen. Den ehrgeizigen Plänen von Frau Rahaingosoa zufolge sollen sie schon demnächst in Betrieb genommen werden.
Präsident Ravolomananas Versprechen, seine Erfahrungen als erfolgreicher Geschäftsmann zu nutzen, um einen Wirtschaftsaufschwung herbeizuführen und das bisherige Missmanagement zu beseitigen, hat die Bevölkerung überzeugt. TIM erwartet sich nun die Überweisung der von der internationalen Gemeinschaft zugesagten 2,4 Mrd. US-Dollar, für die das Vorziehen der Parlamentswahlen eine Voraussetzung war.
Die AREMA ist seit der Flucht des ehemaligen Präsidenten Ratsiraka ins Ausland zersplittert. Einige Teile der Partei boykottierten die Wahlen, da sie ihrer Meinung nach zu früh durchgeführt wurden. 100 Parteimitglieder ließen sich dennoch aufstellen, lediglich drei konnten auch Parlamentssitze holen. BeobachterInnen erwarten, dass sich das Land vor der Südostküste Afrikas auf Grund der großen Mehrheit für Ravalomanana von der politischen Krise der jüngsten Vergangenheit erholt.
Christa Schwab ist Sozialforscherin, arbeitet als freie Journalistin bei der APA und als Sprachtrainerin in Wien und war im Dezember als Wahlbeobachterin auf Madagaskar.