Lamao von vielen Seiten bedroht

Von Marina Wetzlmaier · ·
Einige der Aktivist:innen von YOUNG BEAN beim Besuch von Marina Wetzlmaier

Junge Umweltaktivist:innen in den Philippinen kämpfen gegen ein Kohlekraftwerk, Atomenergie und Falschinformationen. Lokalaugenschein im Dorf Lamao.

Viele der jungen Aktivist:innen waren noch Kinder, als das Kohlekraftwerk direkt neben ihrem Heimatdorf Lamao in der Provinz Bataan im Norden der Philippinen errichtet wurde (siehe auch hier). „Durch die Luftverschmutzung, die vom Kraftwerk ausgeht, leiden unsere Familien an Atemwegs- oder Hauterkrankungen“, berichtet Enrique Beren. Der 22-Jährige vertritt gemeinsam mit Jade Esguerra, 20 Jahre alt, die Organisation „Young Bataeños for Environmental Advocacy Network“ (Young BEAN) nach außen.

Die Bewohner:innen von Lamao wollen Entschädigungen erkämpfen, die Jugendlichen fordern auf Perspektive mehr: nämlich ein Ende der fossilen Energie. Young BEAN ist in der gesamten Provinz vernetzt und führt Informationskampagnen und Protestaktionen durch. Außerdem helfen sie in Notsituationen.

Mehr Naturkatastrophen
Beim Lokalaugenschein des Südwind-Magazins Anfang August führen sie gerade eine Spendensammlung durch und schnüren Lebensmittelpakete für rund 200 Familien: je fünf Kilo Reis, ein halbes Kilo Zucker, zwei Packungen Instantnudeln und Löskaffee.

Taifun „Doksuri“ hat Ende Juli starken Regen und Überschwemmungen in der Region verursacht. Viele Familien wurden in Evakuierungszentren untergebracht. „Sie bekommen staatliche Hilfe“, berichtet die Umweltaktivistin Veronica Cabe. „Andere Menschen wollten ihre Häuser aber nicht verlassen und haben nichts. Für diese sind wir mit den Hilfspaketen da“, erzählt Cabe weiter. Sie ist Koordinatorin der lokalen Organisation Nuclear and Coal-Free Bataan Movement und unterstützt die jungen Aktivist:innen bei ihren Projekten. Nicht nur Naturkatastrophen, sondern auch große Infrastruktur- und Energieprojekte bereiten den Umweltschützer:innen Sorgen.

Grüne Energie?
Die Regierung unter Präsident Ferdinand Marcos Jr. hat zwar angekündigt, keine neuen Kohlekraftwerke zu bauen und mehr in Erneuerbare Energie zu investieren. Bestehende Kraftwerke, wie jenes neben dem Dorf Lamao, dürfen jedoch weiterhin betrieben und ausgebaut werden.

Außerdem ist Atomkraft als alternative Energiequelle im Gespräch. Konkret soll das Kraftwerk Bataan Nuclear Power Plant (BNPP) in Betrieb genommen werden. In den 1970er Jahren ließ der damalige Diktatur Ferdinand Marcos dieses Atomkraftwerk errichten. Sicherheitspannen, die hohen Kosten und nicht zuletzt der Widerstand einer Anti-Atombewegung haben die Inbetriebnahme bisher verhindert.

Gefährliches Engagement
Die rund 100 Aktivist:innen von Young BEAN wollen andere junge Menschen über die Risiken von Atomkraft informieren. Denn: „Jugendliche sind besonders anfällig für Falschinformationen, die von allen möglichen Seiten dazu kommen“, so Sprecherin Jade Esguerra. Mit ihrem Engagement ist sie in ihrer Generation in der Minderheit. „Aktivismus hat einen schlechten Ruf“, erklärt Young-BEAN-Sprecher Enrique Beren.

Die Philippinen gehören zu den gefährlichsten Ländern für Umweltaktivist:innen, wie der Mord an Gloria Capitan im Jahr 2016 zeigt. Die mehrfache Großmutter war im Kampf gegen Kohlekraft in Bataan aktiv und wurde 2016 vor ihrem Geschäft von Unbekannten erschossen. Elf Morde an Umweltschützer:innen gab es laut der Menschenrechtsorganisation Global Witness im Jahr 2022. Die Täter:innen können zumeist nicht ausgeforscht werden.

Auch Beren hat bereits anonyme Drohungen erhalten. Er habe „ein mulmiges Gefühl“. Sich nicht zu engagieren sei für ihn aber keine Option: „Wissen über die Ursachen der Klimakrise zu haben, aber nicht zu handeln, ist wertlos. Wir kämpfen weiterhin für die Umwelt und unsere Familien.“

Marina Wetzlmaier ist freie Journalistin mit philippinischen Wurzeln. Anfang August besuchte sie, wie schon in den Jahren davor, das Dorf Lamao, um für das Südwind-Magazin zu berichten.

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