„Kultur ist Entwicklung“

Von Martina Kopf · · 2007/04

Els van der Plas, Leiterin des niederländischen Prinz Claus Fonds für Kultur und Entwicklung, sprach mit Südwind-Redakteurin Martina Kopf über den Schutz von kulturellem Erbe und warum Kultur gerade für Menschen, die wenig besitzen, so wichtig ist.

Südwind: Der Prinz Claus Fonds definiert Kultur – wie Essen oder ein Dach über dem Kopf – als menschliches Grundbedürfnis, was ein eher ungewöhnlicher Gedanke ist.
Els van der Plas:
Das stimmt. In der Entwicklungszusammenarbeit und vor allem der humanitären Hilfsindustrie geht es immer nur um Nahrung, Gesundheit und Unterkunft, wenn von Grundbedürfnissen die Rede ist. Wir sagen aber, dass Kultur einer Person einen Platz in der Welt, Selbstvertrauen und Respekt gibt. Wenn du das nicht hast, ist es sehr schwierig, zu überleben – selbst mit Nahrung und einem Dach über dem Kopf. Dabei geht es nicht nur um ein Gemälde an der Wand, sondern auch um Werte, Normen, religiösen Glauben – alles, was dich zu dem macht, was du bist. Gerade für arme Menschen oder für Menschen, die alles verloren haben, ist Kultur überlebenswichtig. In solchen Situationen braucht man Schönheit, etwas, das dem Leben auf irgendeine Art Sinn gibt.

Mit der UNESCO-Konvention zum Schutz des Immateriellen Kulturerbes bekennt sich die internationale Staatengemeinschaft zum Wert kultureller Ausdrucksformen, die nicht in Bauwerken oder Schrift festgehalten sind. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?
Wir haben mündliche Geschichte immer als Teil von Geschichte verstanden und immaterielles Erbe als Teil des Weltkulturerbes. Natürlich ist schwierig, dass man dabei kein Gebäude hat, das man erhalten, oder Artefakte, die man restaurieren kann. Trotzdem ist es Teil von unser aller Leben. Es ist gut, dass sich die UNESCO dafür einsetzt. Ihre Macht liegt darin, dass sie etwas deklarieren kann und staatlich orientiert ist. Das macht den ganzen Prozess zwar etwas langsam, aber auch so wichtig. Politisch halte ich diese Konvention für sehr wesentlich, aber für eine aktivistische Bewegung wie die unsere hat sie keine große Bedeutung.

Sie haben ein Notfallsprogramm laufen, eine Art Soforthilfe für gefährdetes Kulturerbe. Wie funktioniert das?
Wir achten in Kriegs- oder Katastrophensituationen darauf, ob dabei Kultur zerstört wird oder zusammenzubrechen droht. In dem Fall reagieren wir sehr schnell und helfen auf sehr einfache Art vor Ort, sie zu restaurieren. Wir brauchen nur einen Vorschlag und die Leute, die ihn durchführen. Danach können sich größere Organisationen um die Restaurierung kümmern. In Bagdad haben wir so die Bibliothek an der Hauptuniversität wiederhergestellt. Ein anderes Beispiel ist die Restauration einiger wunderschöner alter Häuser und einer orthodoxen Kirche in Nablus nach dem Einmarsch der Israelis. Das letzte war ein Archiv für Kulturerbe im Südlibanon. Wir haben einen Fokus auf Kulturerbe, sowohl auf moderne, zeitgenössische wie auch auf traditionelle Formen. Aber wir können keine großen Sprünge machen.

Was meinen Sie mit zeitgenössischem Kulturerbe? Ist Kulturerbe nicht immer traditionell?
Wir schauen auch auf zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler und ihre Arbeit. In Indonesien haben wir zum Beispiel geholfen, ein Musikstudio wieder herzurichten, das vom Tsunami zerstört worden war. Ich nenne es zeitgenössisches Kulturerbe, da es das Erbe der Zukunft sein wird. Kulturerbe umfasst nicht nur die alte Kirche an der Ecke oder das Museum, sondern auch, was jetzt geschieht.

Wie wichtig ist Kultur in der Entwicklungszusammenarbeit?
Eine Menge Leute im Entwicklungsbereich reden darüber, wie wichtig Kultur ist, aber sie tun nichts dafür. Es gibt kaum Geld dafür.

Worum sollte es bei Kultur und Entwicklung gehen? Darum, Kultur zu entwickeln, oder darum, der sozialen und ökonomischen Entwicklung mehr Kultur zu geben?
Ich denke, es ist beides. Ich sage immer, Kultur ist Entwicklung, nicht etwa, Kultur ist ein Mittel für Entwicklung. Kultur ist wie Wirtschaft, wie Landwirtschaft – sie steht für sich selbst. Wir arbeiten auch daran, am Verhältnis Geber-Empfänger etwas zu verändern. Zum Beispiel bei unserem aktuellen Kunstprojekt, der Sahel Oper, einer Koproduktion mit Mali. Wir sagen unserer Kontaktperson in Bamako nicht, wir geben euch Geld, weil ihr arm seid, sondern: Wir geben euch Geld, weil ihr großartig seid. Und weil wir denken, ihr verdient das Geld, denn sonst könntet ihr nicht tun, worin ihr so gut seid. Das macht einen Unterschied. Wirklich zusammenarbeiten bedeutet, dass du dein Gegenüber ernst nimmst, selbst wenn er oder sie kein Geld hat.

Der Prinz Claus Fonds für Kultur und Entwicklung ist eine Plattform für interkulturellen Austausch, die mit Personen und Organisationen in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Karibik zusammenarbeitet.

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