
Die Unterstützung des Westens für die Ukraine ist außergewöhnlich. Nicht alle Krisen werden gleich behandelt.
In Somalia haben eine historische Dürre und ihre Folgen, die durch Konflikte und instabile staatliche Strukturen noch verschärft wurden, dazu geführt, dass 5 Millionen Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sind. Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) benötigt fast die Hälfte der 17 Millionen Einwohner:innen des Landes Humanitäre Hilfe. „Der Bedarf ist nach wie vor hoch und dringend“, sagte Adam Abdelmoula, der UN-Koordinator für Humanitäre Hilfe in Somalia im April in einem aufrüttelnden Appell an die internationale Gebergemeinschaft. Er blieb weitgehend unbeachtet.
Für die notwendigen Hilfsmaßnahmen in Somalia braucht es Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge im Jahr 2023 Mittel in Höhe von 2,6 Milliarden US-Dollar. Bislang (Stand Herbst) wurden weniger als eine Milliarde Dollar aufgestellt.
Ähnlich verhält es sich in anderen Krisen- und Konfliktgebieten in Afrika, wo nach Appellen der UN in diesem Jahr 17 Milliarden Dollar weniger als benötigt zusammenkamen. Einer Analyse der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wird diese Finanzierungslücke voraussichtlich noch größer werden, da wichtige Geberstaaten – wie die USA, die Europäische Union und das Vereinigte Königreich – entweder ihre Hilfsgelder kürzen oder sie umleiten.
Afrika oder Ukraine. Das mangelhafte Engagement der westlichen Staaten in afrikanischen Krisen steht in krassem Gegensatz zur außerordentlich breiten Unterstützung der Ukraine. Bis zum 31. Mai haben allein die USA 76,8 Milliarden Dollar an humanitärer, finanzieller und militärischer Hilfe für die Ukraine bereitgestellt. Die EU hat Kiew im ersten Jahr des Krieges Hilfsgelder im Wert von 67 Milliarden Euro gewährt und für den Zeitraum von 2024 bis 2027 bereits mindestens weitere 50 Milliarden Euro zugesagt.
Unterstützung gibt es auch für ukrainische Geflüchtete. Sie wurden in ganz Europa und Nordamerika sozial sowie finanziell unterstützt. Arbeits- und Reisebeschränkungen wurden gelockert. Gleichzeitig sehen sich Afrikaner:innen, die vor Konflikten in ihren Herkunftsländern fliehen, an den europäischen Grenzen mit immer drakonischeren Maßnahmen konfrontiert, die darauf abzielen, sie fernzuhalten.
Kein Wunder. Der drastisch unterschiedliche Umfang der Unterstützung für die Ukraine ist den afrikanischen Staats- und Regierungschef:innen nicht entgangen. Auf den Tagungen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank im April wurde das Thema abseits der offiziellen Agenden besprochen. Geändert hat sich seither scheinbar nichts.
Angesichts dessen braucht man sich nicht zu wundern, dass die afrikanischen Staats- und Regierungschef:innen aufhorchen, wenn Supermächte wie China und Russland mit großen Versprechungen von Hilfe und Investitionen auf den Kontinent zukommen.
Simon Allison ist Chefredakteur der panafrikanischen Wochenzeitung The Continent. Das Medium, das schon mehrfach ausgezeichnet wurde, ist per Whatsapp oder Signal abonnierbar:
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