Krieg um Öl

Von Ilona Eveleens · · 2001/05

Im Bürgerkrieg im Süden des Sudan spielen Bodenschätze eine immer größere Rolle, berichtet

Im südsudanesischen Dorf Nimule gibt es zahlreiche Schutzkeller. Dies sind meist tiefe und breite Löcher in der Erde, umgeben von Sandwällen und gedeckt mit Holz. Die Keller sollen Schutz vor den Luftangriffen der Sudanesischen Regierungsarmee bieten. ”In den letzten zwei Jahren haben die Bombardierungen stark zugenommen“, erzählt Paul Majak, ein Lehrer in Nimule. ”Selbst die Kinder verstehen, wie wichtig die Schutzkeller sind. Sie spielen nie darin oder darauf, aus Angst etwas kaputt zu machen“.

Seit 1983 herrscht im Sudan ein blutiger Bürgerkrieg zwischen dem arabisch-islamistischen Norden und dem christlich-animistischen Süden des Landes. Ethnische und religiöse Gegensätze halten den Krieg am Laufen. Aber auch Bodenschätze spielen eine immer größere Rolle.

Anfang der siebziger Jahre wurde im Süden des Sudan Öl entdeckt. Damals schon waren Nord und Süd in einen Konflikt verwickelt. In dem Friedensabkommen von 1972 versprach die Regierung der Bevölkerung im Süden einen Anteil am Gewinn aus dem Ölgeschäft. In dem selben Vertrag war auch die Autonomie für den Südsudan festgelegt. Aber Khartoum hielt beide Versprechen nicht ein. Das war der Auslöser für einen bis heute andauernden Krieg.

Wegen des Krieges konnte kaum Öl gefördert werden. Aber seit dem Jahr 1999 fließt das so genannte schwarze Gold durch eine 1600 Kilometer lange Rohrleitung von der südlichen Provinz Oberer Nil nach Port Sudan am Roten Meer. Der Sudan gewinnt das Öl in Zusammenarbeit mit einem Konsortium von malaysischen und chinesischen Staatsbetrieben und der kanadischen Firma Talisman. Voriges Jahr wurde für 500 Millionen US-Dollar Öl aus der Erde gepumpt. In den nächsten zwei Jahren erwarten der Sudan und das Konsortium eine Verdoppelung der Produktion, auf mehr als 400.000 Barrel Öl pro Tag. Im Vergleich dazu: Saudi-Arabien, der größte Rohölexporteur der Welt, fördert etwa 7,4 Millionen Barrel Öl pro Tag.

Die Menschen im Süden sehen die Ölförderung als Ursache für die Zunahme der Luftangriffe, meistens auf zivile Ziele wie zum Beispiel auf Nimule, Hunderte Kilometer südlich der Öllagerstätten.

Die Regierung in Khartoum verwendet die Ölgewinne nicht für die Not leidende Bevölkerung. Ganz im Gegenteil: Sie hat das Budget des Verteidigungsministeriums verdoppelt. Ausländische Militärbeobachter berichten, dass die Armee über hochwertige Waffentechnologie verfügt. Südsudanesische Rebellen haben einige Anschläge auf Pipelines, die dem Norden Reichtum bescheren, verübt. Doch die Schäden wurden schnell repariert.

Seit etwa zwei Jahren tut die Regierung alles, um ihre Ölinteressen zu schützen. Die BewohnerInnen der Region Oberer Nil berichten von heftigen Kämpfen zwischen Regierungssoldaten und Rebellen. Hunderte Zivilisten wurden seither getötet, Tausende sind geflohen. Khartoum hat internationalen Hilfsorganisationen verboten, in das Gebiet einzureisen.

Regierungstruppen versuchen, nach Angaben der Bevölkerung der Region Oberer Nil, auch andere Gebiete mit Ölvorkommen zu entvölkern. In diesen Gebieten, so schreibt der Wissenschaftler Peter Verney in seinem Bericht ”Oil and Conflict in Sudan“ besitzen Konzerne wie die italienische Agip, die französisch-belgische Gesellschaft Fina/Total, die schwedisch-schweizerische Lundin Oil und die österreichische OMV Öl-Konzessionen.

Carl Bildt, der ehemalige schwedische Premierminister, ist heute Mitglied des Verwaltungsrates von Lundin Oil. Kritik der britischen Hilfsorganisation ”Christian Aid“, dass durch die Ölförderung der Krieg eskaliere, weist er zurück: ”Ich bin davon überzeugt, dass die Anwesenheit ausländischer Ölfirmen die Möglichkeit bietet, Frieden und Entwicklung im Sudan auf längere Sicht zu garantieren.“

Gleichzeitig mit der Zunahme der Luftangriffe hat die Regierung eine Charmeoffensive gestartet. Jahrelang war der Sudan wegen der Unterstützung von internationalen Terroristen von der internationalen Gemeinschaft geächtet, und auch die ständigen Verletzungen der Menschenrechte im ganzen Land trugen zum internationalen Boykott gegen den Sudan bei.

Doch jetzt scheint Khartoums Imagepolitur Erfolg zu haben. Anfang dieses Jahres unterstützte eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Ländern die Kandidatur des Sudan für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Es waren aber trotzdem zu wenig Stimmen. Weiters führt die Europäische Union seit dem Jahr 1999 einen Dialog mit der Regierung in Khartoum.

Die SPLA-Rebellen kämpfen seit Jahren für einen unabhängigen Südsudan. Die Forderung nach Autonomie wird jedoch international kaum unterstützt.

Finanziell ist die SPLA völlig abhängig von ausländischer Unterstützung. Der Geologe Peter Adwok, Mitglied der SPLM, dem politischen Flügel der SPLA, ist besorgt über die Entwicklungen im Südsudan. Adwok und einige andere Experten wollen die Bodenschätze des Südens, wie Gold, Platin, Chrom und Uran nutzbar machen: ”Demnächst bekommen wir Zugang zu Satellitenfotos. Mit diesen Informationen werden wir vor Ort Proben nehmen. Danach müssen wir mit Betrieben in Kontakt treten, die uns helfen können, die Reichtümer an die Oberfläche zu bringen.“

Einfach werde es nicht sein, meint Peter Adwok. ”Man sagt uns, die Kriegssituation ist zu gefährlich. Aber in anderen Ländern, wie der Demokratischen Republik Kongo und Angola, werden Diamanten und Gold trotz des Krieges gewonnen. Friede würde uns die Chance bieten, die Bodenschätze zu verkaufen. Warum unternimmt die internationale Gemeinschaft in vielen Ländern seriöse Vermittlungsversuche, aber nicht bei uns?“, fragt sich Adwok.

Ilona Eveleens ist Ostafrika-Korrespondentin der Berliner Tageszeitung ”taz“ mit Sitz in Nairobi.

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