Krebsforschung auf Weltniveau

Von Knut Henkel · · 2006/06

Vor über zwanzig Jahren hat Kubas Staatschef Fidel Castro den Ausbau der medizinisch-pharmazeutischen Forschung angeordnet. Heute liegt die Zuckerinsel in der Krebsforschung weit vorne, und internationale Pharmaunternehmen suchen die Kooperation mit Havannas Hightech-Labors.

Im November 1980 besuchte der US-amerikanische Krebsspezialist Randolph Lee Clark Havanna. Dort traf der Leiter des Krebsforschungsinstituts der Universität Texas mit Staatschef Fidel Castro zusammen und erzählte ihm von dem neuen Wirkstoff Interferon. Die Behandlung mit dem antitumoralen Hormon könne, so Clark, einen Durchbruch in der Krebstherapie bringen. Castro wurde hellhörig, schickte kubanische MedizinerInnen zu Clark nach Houston, wo sie in die klinische Interferontherapie eingeführt wurden. Das war die Geburtsstunde der kubanischen Krebs- und Biotechnologieforschung, die heute international einen hervorragenden Ruf genießt.
Einen so guten, dass internationale SpezialistInnen sich mehr und mehr auf der Insel umschauen, um Kooperationen mit den kubanischen Instituten auszuhandeln. Kanadische Unternehmen machten vor einigen Jahren den Anfang. Aber seitdem die US-amerikanische Cancer Vax Corporation im Juli 2004 einen Kooperationsvertrag zur Weiterentwicklung und Vermarktung von Krebsimpfstoffen mit dem Zentrum für Molekularimmunologie in Havanna abschloss, ist Kuba auch offiziell in die Weltspitze der Krebsforschung vorgedrungen.
Entsprechend enthusiastisch wurde der Deal mit dem Klassenfeind, der nur aufgrund einer Sondergenehmigung des US-Schatzamtes zustande kam, in Kuba gefeiert. Ziel der Vereinbarung ist es, drei Impfstoffe, die das Wachstum von Krebszellen in der Lunge, der Brust und der Prostata bremsen sollen, zur Marktreife weiterzuentwickeln und international zu vertreiben. Für die KubanerInnen ein guter Deal, denn bei Vertrieb und Marketing hapert es, während es in der Forschung rund läuft.
Das bestätigt auch Ferdinand Bach von der Hamburger Firma Oncoscience. Die hat für 46 Länder die Lizenzen für „Osag 101“ erstanden. Das Präparat wurde für Hirntumore bei Kindern entwickelt. Es soll, so hofft Bach, wie ein Antikörper dafür sorgen, dass sich die Tumorzellen nicht weiter ausbreiten können. Neue Metastasen werden nicht gebildet und in vielen Fällen schrumpfen die Tumoren. Das haben die ersten klinischen Tests in Kuba und in Deutschland ergeben. An sieben deutschen Kliniken wird „Osag 101“ derzeit getestet. Und von den 34 unheilbar krebskranken Kindern geht es 13 deutlich besser, so ein Zwischenergebnis aus der noch laufenden Erprobungsphase.

In den Exportbilanzen macht sich die über zwei Dekaden währende systematische Forschungsarbeit langsam bemerkbar. Dreihundert Millionen US-Dollar wurden 2005 mit dem Export von biotechnologischen Produkten eingenommen, berichtete das Gesundheitsministerium zu Jahresbeginn. Nicht viel im Vergleich zu den Einnahmen von internationalen Großkonzernen wie GlaxoSmithKline. Der Pharmariese mit Hauptsitz in Großbritannien wollte 1999 einen kubanischen Impfstoff gegen Meningitis B bis zur Marktreife weiterentwickeln. Er machte dann aber wegen rechtlicher Bedenken einen Rückzieher.
Zweifel wegen des US-amerikanischen Handelsembargos hat Ferdinand Bach nicht. Er schwärmt von den kubanischen ForscherInnen und deren Ausbildungsniveau. Das soll der Insel neue Perspektiven verschaffen, so hat es Staatschef Fidel Castro in den vergangenen zwanzig Jahren immer wieder betont. Nun scheint der Traum des maximo líder langsam wahr zu werden, denn den Krebspräparaten von der Insel wird in den USA wie Deutschland internationale Tauglichkeit bescheinigt. Warum die KubanerInnen in diesem Forschungsbereich, aber auch in anderen, die Nase vorn haben, ist schnell erklärt. Sie forschen in Bereichen, die sich für die großen Pharmakonzerne nicht lohnen. So ist das Präparat „Osag 101“, das die Hamburger Oncoscience vertreiben will, ein Nischenprodukt. Insgesamt erkranken nur wenige Kinder an Hirntumoren. In Deutschland sind es Ferdinand Bach zufolge 350, in Kuba etwa um die 100 Kinder. „Das rechnet sich nicht für die Großen“, erklärt Bach. Für Kuba kein Grund, nicht in dieses, aber auch andere Forschungsprojekte zu investieren. So wird derzeit auch an der Entwicklung von Impfstoffen gegen Lepra, Aids und das nicht nur in Lateinamerika grassierende Dengue-Fieber gearbeitet.

Knut Henkel ist Politikwissenschaftler und freiberuflicher Journalist mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik.

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