Kostbares Naß

Von Bernhard Fischer · · 1999/06

Die Erde wird als der blaue Planet bezeichnet, weil sie zu zwei Drittel mit Wasser bedeckt ist. Trotzdem wird immer öfter über Wassermangel berichtet und davon gesprochen, daß die Kriege der Zukunft um das Wasser stattfinden werden.

Auch wenn sich das auf der Erde befindliche Wasser nicht verbraucht – es unterliegt globalen Kreisläufen, so steht es aber in vielen Fällen nicht für die menschliche Nutzung zur Verfügung. Die Gesamtwassermenge auf Erden beträgt rund 1,4 Milliarden Kubikkilometer.

Davon befinden sich 97,4% in den Weltmeeren als Salzwasser. Der Rest von 2,6% ist Süßwasser.

Für die menschliche Nutzung des Wassers ist es ganz entscheidend, wie rein oder unrein das zur Verfügung stehende Wasser ist. Besonders in der westlichen Welt wurden diesbezüglich keine Kosten gescheut, um das Abwasser zu reinigen, Gewässer zu schützen und alle Transportsysteme für Trinkwasser dermaßen qualitativ hochwertig auszuführen, daß dort keine bakterielle Verunreinigung des Wassers mehr erfolgen dürfte.

In der Schweiz zum Beispiel werden dafür etwa 5.600,- Schilling pro Person und Jahr ausgegeben. Es ist klar, daß dieser Aufwand für die meisten Länder der Erde nicht finanzierbar ist.

Betrachtet man Statistiken über die Todesursachen, so stellt man in Entwicklungsländern fest, daß dort 45% aller Menschen an Infektions- und Parasitenkrankeiten sterben. Das sind allesamt Krankheiten, die mit verunreinigtem Wasser in Zusammenhang stehen bzw. von mangelhaften Hygienemaßnahmen herrühren. Es geht also nicht nur um das Wasser, das direkt zum Trinken verwendet wird, sondern auch das zum Waschen und für die Körperpflege.

Von sehr großer Bedeutung ist die Menge und Verteilung der Niederschläge. Wir in Mitteleuropa sind dabei in einer glücklichen Lage. Es sind die Niederschläge auf das ganze Jahr über regelmäßig verteilt. Ein großer Anteil der Jahresniederschlagsmenge fällt zudem in Form von Schnee, der nicht sofort versickern oder abrinnen kann. Diese Tatsache ist zur intensiveren Nutzung des Niederschlagswassers für den Boden von ganz großer Bedeutung.

Hingegen sind in den meisten Regionen der Erde die Regenzeiten auf eher kurze Zeitspannen beschränkt. Auch wenn die Gesamtmenge der Niederschläge im Jahr möglicherweise der bei uns üblichen entspricht, so kann es durch die Konzentration der Regenfälle sowohl zu vielen Schäden (z. B. durch Monsunregen) als auch zu langen Trockenintervallen zwischen den Regenzeiten (z.B. im Sahelraum) führen.

Wozu braucht der Mensch das Wasser? Natürlich fällt uns dabei zu allererst das Trinkwasser ein und das Wasser zum Zubereiten der Nahrung. Diese Wassermenge beträgt im Schnitt aber nur rund 5 Liter pro Person und Tag. Die weitaus größere Wassermenge wird für die verschiedensten Hygienemaßnahmen gebraucht (Körperpflege, Duschen, Baden, Raumpflege, Wäschewaschen, Geschirrspülen). Dieser Anteil macht bei uns in Mitteleuropa etwa 70% bis 75% der pro Person benötigten Tageswassermenge aus. Und beachtliche 25 % des Tagesbedarfs werden bei uns für die WC-Spülung verwendet. Dabei dient das Wasser lediglich als Transportmittel.

Bei uns rechnet man mit einem Wasserverbrauch von 150 bis 250 Litern pro EinwohnerIn und Tag. Dieser Wert sinkt in Regionen, wo es kein Fließwasser im Haus gibt und jeder Liter mühsam erst nach Hause getragen werden muß, auf 15 bis 25 Liter pro EinwohnerIn und Tag.

Zu diesem Wasseranteil, der entweder über die Wasserleitung ins Haus fließt oder im Kübel nach Hause getragen wird, kommt aber ein noch ganz wesentlicher Faktor hinzu. Jedes Lebensmittel braucht zur Produktion eine beachtliche Menge Wasser. Wenn wir zum Beispiel ein Stück Brot essen, braucht zuvor der Acker ausreichend Regen, um die entsprechende Menge an Weizen heranwachsen lassen zu können. Für ein Kilogramm Brot sind etwa 1000 Liter Wasser erforderlich. Dabei sind aber die zahlreichen Verluste des Wassers im Acker noch nicht eingerechnet ( durch Verdunstung, Versickern in tiefere Schichten, oberirdischer Abfluß, ..).

Ein Rind muß viele Monate Gras fressen, das auch Wasser zum Wachsen benötigt, und täglich rund 50 Liter Wasser trinken, ehe es geschlachtet wird und dann als Schnitzel, Steak oder Wurst verzehrt wird.

Schließlich sind auch große Wassermengen erforderlich, um die bestehende Natur aufrecht zu erhalten. All die Wälder, Wiesen und Landschaften benötigen sehr viel Wasser. So ist eine übliche Obergrenze, wieviel Wasser man einem größeren Fluß auf Dauer abziehen kann, ohne nennenswerte Veränderungen im Ökosystem zu verursachen, bei rund 20% der Gesamtwassermenge.

In einem Land herrscht dann Wassermangel, wenn weniger Wasser durch Regen oder Gewässer nachkommt als benötigt wird. Davon waren 1950 12 Länder betroffen mit etwa 20 Mio. EinwohnerInnen. Heute leiden bereits 26 Länder der Erde oder umgelegt ca. 300 Mio. Menschen an Wassermangel. Bis zum Jahre 2050 wird die Zahl auf 65 Länder oder 7.000 Mio. Menschen angestiegen sein. Das sind dann immerhin schon 60% der Weltbevölkerung. Die sich abzeichnenden Engpässe werden vor allem Ostafrika, den Sahelraum und weite Teile Asiens betreffen.

An diesen Entwicklungen zeigt sich sehr deutlich, welches Konfliktpotential in der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser enthalten ist.

Einige der betroffenen Länder sind in der Lage, besonders durch Ankauf von Lebensmitteln aus dem Ausland, ihren direkten Wasserbedarf zu reduzieren. Das trifft besonders bei den Golfstaaten oder bei Israel zu. Viel schlimmer dran sind dagegen arme Länder wie z.B. Somalia oder Äthiopien, die ihr Lebensmitteldefizit nicht durch den Export von Öl finanzieren können.

Auf Erden gibt es eine gewaltige Menge an derzeit nicht nutzbarem Wasser. Es wird es eine ganz zentrale Frage für das nächste Jahrtausend sein, ob die Biotechnologie in der Lage sein wird, Methoden zu entwickeln, um vor allem das Salzwasser auf wirtschaftlich sinnvolle Weise aufzubereiten und damit für vielseitige Zwecke nutzbar zu machen.

Bei der Lebensmittelproduktion müssen neue Mechanismen entwickelt werden, um Wasser zu sparen. Neben der Einführung von Kosten- und Rohstoffwahrheit in der Landwirtschaft (man denke nur an die Subventionierung des Weizens am Weltmarkt) müssen die Erkenntnisse umgesetzt werden, wie eine gerechte Wassernutzung und -verteilung durchgeführt werden könnte.

Eine weitere ganz wichtige Herausforderung der Zukunft wird es sein, die rasch wachsenden Bevölkerungsballungsräume besonders in der südlichen Welt zu versorgen.

Die heute angewendeten Techniken sind dort nur begrenzt geeignet und vor allem nicht finanzierbar. In den Megastädten der Welt wachsen nicht nur große soziale Konfliktpotentiale heran. In derartigen Konzentrationen von Menschen können auch sehr leicht gefährliche Epidemien ihren Ausgang nehmen, die für die Menschheit sehr gefährlich werden könnten.

Auch wenn sich die Gesamtwassermenge auf Erden nicht verbraucht, so ist die wachsende Wasserknappheit Realität. Neue Lösungen und neue Strategien sind eine der größten Herausforderungen für die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten.

Es muß dabei an vielen verschiedenen Punkten angesetzt werden. Dazu sind aber gewiß nicht nur TechnikerInnen alleine aufgerufen, ihre Beiträge zu leisten. Besonders in der Entwicklungszusammenarbeit hat sich schon seit einiger Zeit das Bewußtsein etabliert, daß für Wasserprojekte neben der Technik auch der soziale Bereich, der institutionelle Kontext, wirtschaftliche Aspekte und die rechtliche Situation ganz wesentlich mitberücksichtigt werden müssen. Nur wenn das geschieht, besteht Aussicht, daß die Lösungen auch wirklich nachhaltig funktionieren.

Bernhard Fischer ist Wasserbau-Experte und arbeitet an Projekten im Bereich der EZA.

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