Anlassfall Nicaragua: Wie soll die österreichische Entwicklungszusammenarbeit (ÖEZA) im Falle von Missbrauch öffentlicher Gelder in einem ihrer Schwerpunktländer reagieren? Antworten auf diese Frage 1) geben Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und der Entwicklungsexperte mit langjähriger Nicaragua-Erfahrung, Herwig Adam.
Nach der Wahl von Präsident Aleman, der bereits als Bürgermeister von Managua zu einigem Reichtum gekommen war, zeigte sich relativ rasch, dass die Politik der im Jänner 1997 eingesetzten Regierung unter dem Gesichtspunkt der „Good Governance“ kritisch beurteilt werden musste. In diesem Zusammenhang erwies sich die Existenz einer Vorortstruktur der ÖEZA, die sowohl die begleitende politische Analyse als auch die Finanzkontrolle der abzuwickelnden Gelder sicherstellt, von entscheidender Bedeutung.
Als Abrechnungsprobleme in noch unter der Regierung Chamorro begonnenen Projekten auftraten, und in den lokalen Medien die ersten Skandale im Zusammenhang mit der Verwendung von Finanzmitteln der Wirbelsturmkatastrophe Mitch publik wurden, erfolgte eine Umorientierung der ÖEZA auf dezentrale Verwaltungsstrukturen (in erster Linie Bürgermeister) und Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Außerdem ermöglichen zum Beispiel die über Städtepartnerschaften erprobten Partner einen direkteren Zugang zu den Nutznießern österreichischer Projekte und garantieren gleichzeitig eine bessere Kontrolle der Mittelverwendung.
Hier tun sich internationale Institutionen wegen ihrer Größe schwerer, rasch auf akute Korruptionsfälle zu reagieren. Zudem sind sie an die Zusammenarbeit mit der Regierung gebunden, die bei ihnen auch Mitglied ist – tatsächlich hat sich das Kreditvolumen in der Regierungszeit Aleman leicht reduziert. Die bilateralen Geber haben auf die Probleme der Regierung ähnlich wie Österreich reagiert: Reduktion des EZA-Volumens und stärkere Ausrichtung auf die NGO-Förderung.
Ein geglücktes Beispiel war die österreichische Hilfe im Zusammenhang mit dem Hurrikan Mitch: Dabei wurden 20 Millionen Schilling direkt über das ÖEZA-Regionalbüro Managua abgewickelt, wobei in einer ersten Phase Nahrungsmittel und Medikamente verteilt und in einer Folgemaßnahme mehr als 1.500 Häuser für Hurrikangeschädigte gebaut wurden. Durch die intensive Zusammenarbeit zwischen dem Regionalbüro und den österreichischen NGOs ist es gelungen, sowohl besonders kosteneffizient als auch zeitgerecht zu agieren.
Dieses und ähnliche Beispiele belegen eindeutig, dass durch die Ausstattung des Regionalbüros mit der Kompetenz für Finanzkontrolle in Zusammenarbeit mit lokalen Auditoren eine missbrauchsfreie Verwendung öffentlicher Gelder sichergestellt werden kann.
Benita Ferrero-Waldner
Obwohl Österreich auf Grund seiner geringen bilateralen EZA-Leistung auch in Schwerpunktländern im internationalen Vergleich kaum Gewicht und Einfluss hat, kann es sich trotzdem nicht der Verantwortung entziehen, einen effizienten und transparenten Einsatz der EZA-Gelder zu garantieren.
In Ländern, wo der Missbrauch öffentlicher Gelder ein Kavaliersdelikt ist, das nicht strafrechtlich verfolgt wird, da die rechtsstaatlichen Institutionen nicht funktionieren, ist besondere Vorsicht geboten. Während der Amtszeit des Ex-Präsidenten Arnoldo Aleman versank Nicaragua in einem Sumpf aus Selbstbereicherung und Korruption.
Der Vertreter der ÖEZA in Nicaragua, DI Hans-Georg Danninger verfolgte eine Strategie, die den speziellen Umständen verantwortungsbewusst Rechnung trug: Vermeidung von direkten Kooperationen zwischen der österreichischen und nicaraguanischen Regierung, strikte Kontrolle über die Verwendung der EZA-Mittel und periodische Fortschrittskontrollen in den Projekten.
Bei massivem Missbrauch von öffentlichen Geldern durch die lokale Regierung ist die ÖEZA-Verwaltung gut beraten, verstärkt mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zu kooperieren und eine lokale soziale Kontrolle in das Projektdesign einzubauen. Je transparenter die Projektziele und verfügbaren Mittel den Begünstigten gegenüber kommuniziert werden, umso stärker werden sie ihre Einhaltung und Umsetzung einfordern. Dies gilt besonders für die Umsetzung von Vorhaben im Rahmen des PRSP (Poverty Reduction Strategic Papers), wo die Durchführungsverantwortung bei der Zentralregierung liegt. Es ist eine Stärke der NGOs im Vergleich zu Regierungsinstitutionen, Transparenz, Kontrolle und Basisnähe sicherzustellen. Die Amtszeit von Arnoldo Aleman ist vorbei. Der jetzige Präsident Nicaraguas, Enrique Bolaños, versucht, die Korruption in den Griff zu bekommen. Die Schwerpunktpolitik der EZA sollte daher langfristig sein und nicht auf Grund von speziellen Konstellationen sofort hinterfragt werden.
Die ÖEZA kann in den Schwerpunktländern, in Zeiten, in denen Kooperationen mit der Zentralregierung nicht verantwortbar sind, auf zahlreiche verlässliche Partner zurückgreifen, die in der Lage sind, die Kontinuität sicherzustellen und die verfügbaren Mittel programmkonform und entsprechend den zentralen Zielsetzungen der ÖEZA umzusetzen.
Herwig Adam