Kolumbiens Überlebenskampf

Von Werner Hörtner · · 2002/07

Nach dem Wahlsieg des rechtsautoritären Alvaro Uribe Vélez hat der Bürgerkrieg eine neue „Qualität“ erreicht.

Jener Kandidat, dem enge Verbindungen zu den rechtsextremen Paramilitärs und dem Drogenhandel nachgesagt werden, hat es geschafft: Mit knapp über 53 Prozent gewann – bei einer Stimmenthaltung von 53,7 Prozent – bereits im ersten Wahlgang am 26. Mai Alvaro Uribe Vélez die Präsidentschaftswahlen. Am 7. August wird er als Nachfolger des glücklosen Andrés Pastrana vereidigt.
Hatte dieser die Wahlen 1998 mit dem Versprechen gewonnen, Frieden und nationale Versöhnung zu bringen, so gelangte Uribe Vélez mit dem Symbol der harten Hand an die Präsidentschaft. Er werde aufräumen mit der Guerilla, er werde eine Million Zivilisten zur „Selbstverteidigung“ bewaffnen, er werde die Armee aufrüsten. Den Sieg über die Guerilla hat fast noch jeder Präsident Kolumbiens in den letzten vierzig Jahren versprochen, doch gelungen ist es noch keinem einzigen.

Die FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) hat der Abbruch der Friedensverhandlungen am 20. Februar und der Beginn einer Militäroffensive – namens „Thanatos“, Tod – gegen sie keineswegs in die Defensive getrieben. Im Gegenteil: sie überzogen das ganze Land mit einer Welle von Anschlägen gegen Infrastruktur-Einrichtungen, sie tragen den Krieg auch in die Städte und sie verwickeln die Paramilitärs immer häufiger in reguläre Schlachten um Territorialgewinne – mit hohen Verlusten unter der Zivilbevölkerung.
Während Pastrana Anfang Juni auch die Friedensgespräche mit der ELN, der zweitstärksten Guerilla-Organisation, abbrach, richtete der künftige Präsident ein Friedensangebot der neuen Art an die FARC: sofortige Aufnahme von Gesprächen, wenn die Guerilla alle terroristischen und bewaffneten Aktionen sowie die Entführungen einstelle; Verhandlungen unter Vermittlung der UNO.

Eine offizielle Reaktion der FARC auf den Wahlsieg von Uribe Vélez und dessen „Friedensangebot“ steht noch aus. Mitte Mai gab jedoch das Oberkommando der Guerilla bekannt, dass es nunmehr die Latte der Vorbedingungen höher legen will und gleich zwei Departements im Süden des Landes als „Entspannungszone“ einfordert: Caquetá und Putumayo, nicht zufällig auch die Regionen mit der größten Koka-Produktion.
Um diese Forderung zu unterstreichen, richteten die FARC einen Aufruf an alle öffentlich Bediensteten dieser Provinzen (mit einer Fläche von ca. 114.000 km2), ihre Arbeitsplätze zu verlassen. Um dieser Aufforderung Nachdruck zu verleihen, wurden die Bürgermeister von zwei Gemeinden im Caquetá ermordet, woraufhin elf der 16 Bürgermeister dieses Departements ihr Amt zurücklegten. Es ist möglich, dass die FARC darauf hinarbeiten, die Oberhoheit über das gesamte Gebiet zu erlangen. In militärischer Hinsicht hat die Guerilla in dieser dünn besiedelten Savannen- und Dschungelregion große strategische Vorteile.

Der US-Kongress hat kürzlich der kolumbianischen Regierung offiziell erlaubt, die ihr gelieferten Rüstungsgüter nicht nur zur Drogen-, sondern auch zur Aufstandsbekämpfung einzusetzen. Glücklich ist Washington allerdings mit seinem kleinen Partner in Bogotá nicht. Derzeit laufen Ermittlungen gegen 60 Angehörige der Drogenbekämpfungspolizei, nur weil sie ein paar Millionen Dollar US-Hilfe in ihre Taschen fließen ließen, und der Rechnungshof der USA kritisierte Mitte Juni die kolumbianische Regierung wegen der mangelhaften Umsetzung ihrer im Plan Colombia eingegangenen Verpflichtungen.

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