Kolonial-Politik

Von Irmgard Kirchner · · 2002/07

Entwicklungzusammenarbeit als schwache Dienerin vieler Herren.

Ich bin für eine bessere Koordinierung der Entwicklungshilfeaktivitäten mit den Migrationsströmen“, soll Innenminister Ernst Strasser in Brüssel gegenüber JournalistInnen erklärt haben – zitiert in der Tageszeitung „Der Standard“. Ein braver Sekundant seiner Ressortkollegen aus Großbritannien und Deutschland, die sich in der EU dafür stark machen, Entwicklungshilfegelder als Druckmittel gegen arme Staaten einzusetzen, aus denen illegale EinwandererInnen in die Europäische Union kommen. Globalisierung, Entwicklungszusammenarbeit und Migration in einem Satz zu nennen, hat seine Berechtigung. Allerdings in einem entgegengesetzten Sinne, nämlich dass die Problematik der ungewünschten Migration im Zeitalter der Globalisierung gerade ein triftiges Argument zu Gunsten einer starken Entwicklungszusammenarbeit ist.
Die EU-Migrations-Hardliner-Minister verkürzen diesen Gedankengang krass und unzulässig auf das eigene Interesse: Entwicklungszusammenarbeit nicht als Investition in die Zukunft des Planeten, sondern als unverhohlenes Machtinstrument in den Händen der reichen Staaten. Und keine Rede von einer starken Entwicklungszusammenarbeit. Deren oberstes Ziel, die Armutsbekämpfung, ist zu einem Lippenbekenntnis verkommen, wie in einem kürzlich präsentierten Bericht dargestellt wird (siehe Artikel Seite 8).

Entwicklungszusammenarbeit als Politikbereich konzentriert sich nicht nur geographisch auf Europas ehemalige Kolonialländer, sie weist selbst innerhalb der EU-Politik Merkmale einer den Großen ausgelieferten Kolonie auf.
Deren wichtigstes Merkmal: Starke (Ressorts) versuchen, ihre Probleme auf Kosten von schwachen zu lösen. Aus dem finanz- und strukturschwachen und nicht-prestigeträchtigen Politikbereich der EZA versuchen die mächtigeren Ressorts unter der Begleitmusik schöner Worte herauszuholen, was rauszuholen ist. Eigene Programmatik? Kann schon sein. Doch schwer nur kann den Begehrlichkeiten der Wirtschaft, der allgemeinen Außenpolitik, der Sicherheitspolitik und jetzt eben auch der Innenpolitik, zu deren Aufgabenbereich die Immigration zählt, widerstanden werden.

Die Politik-Kolonie Entwicklungszusammenarbeit hat zwar einen eigenen Namen, steht jedoch unter fremder Dominanz. Der Widerstand gegen Übergriffe von außen bleibt schwach und wenig sichtbar. Viele Entscheidungen bleiben dem Zufall überlassen, weil ein starker politischer Gestaltungswille fehlt.
Der Entwicklungszusammenarbeit hilft wohl nur das bewährte Standardrezept gegen den Neokolonialismus: Selbstbestimmung, Identität, starke eigene Strukturen, ein ausreichendes Budget und vor allem: ein wesentlich höheres Selbstwertgefühl.

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