Wir stehen an der Kippe zur Klimakatastrophe. Doch die Mächtigen der Welt bieten uns nur eine Handvoll Pseudo-Lösungen. New Internationalist-Redakteurin Jess Worth setzt ihre Hoffnung auf die Bewegung für Klimagerechtigkeit.
Es war vergangenen Oktober, als die Kampagne "Yasuní Green Gold" im britischen Parlament gestartet wurde. Der New Internationalist (NI) hatte eben einen Bildband über diese unberührte Amazonasregion mit ihrer unglaublichen biologischen Vielfalt sowie ihre drohende Zerstörung durch Ölkonzerne veröffentlicht. Zuvor hatte die Regierung Ecuadors die reichen Länder kühn aufgefordert, sie für den Verzicht auf die Förderung der Milliarde Barrel Öl unter dem Yasuní-Nationalpark zu bezahlen – ein neuartiger Vorschlag im Kampf gegen den Klimawandel, der zu einem Präzedenzfall werden könnte. Vor Ort jedoch sind die Menschen besorgt. Werden die Landrechte der indigenen Völker, die dort leben, weiter geschwächt, wenn man für den Wald einen Preis festsetzt? Die Bevölkerung in der Region, der die Ölindustrie derzeit dringend nötige Arbeitsplätze verschafft, wurde nicht konsultiert. Werden sie die nötige Unterstützung erhalten, um die alternative, nachhaltige Wirtschaft aufzubauen, die sie anstreben? Gibt es eine Garantie, dass das Öl weder von der aktuellen noch einer zukünftigen Regierung jemals gefördert werden wird? Und was passiert, wenn den reichen Ländern die Sache zu teuer wird?
Also brachten wir Anita Rivas, die Bürgermeisterin der benachbarten Provinzhauptstadt Francisco de Orellana, nach Großbritannien, um die Regierung dazu zu bewegen, einen besseren Vorschlag zu unterstützen, bei dem die Rechte und Bedürfnisse der lokalen und indigenen Bevölkerung im Zentrum stehen. Ein Häufchen sympathisierender PolitikerInnen fand sich in einem Sitzungssaal des Unterhauses ein, ebenso wie drei aalglatte Lobbyisten von Emissionshandelsfirmen, die sich ein Stück vom Yasuní-Kuchen abschneiden wollten. Sie hatten auch einen Vorschlag dabei: Aufteilung des Regenwalds in so genannte "Gutschriften für vermiedene Entwaldung". Diese könnten dann (mit ordentlichem Gewinn) von Händlern, Maklern und Spekulanten weiterverkauft werden, an Emittenten im Norden, die sie gegen ihre eigenen Emissionen aufrechnen wollen anstatt sie zu reduzieren. Bingo, Problem gelöst!
Während der Sitzung war ich darauf bedacht, diese Option zurückzuweisen. Ich wusste, dass Basisorganisationen in Ecuador diesen Ansatz wegen der Erfahrungen mit so genannten CO2-Ausgleichsprojekten ablehnten. Indigene Völker weltweit betrachten sie als massive Landnahme durch ausländische Investoren. Sie fürchten, dass es in der Folge zu Zwangsvertreibungen, Zugangsbeschränkungen, einer Bedrohung indigener Landwirtschaftspraktiken, zur Zerstörung der biologischen und kulturellen Vielfalt und zu sozialen Konflikten kommen könnte.*) Indigene und lokale Gemeinschaften sind die besten Hüter der Wälder der Erde, nicht internationale Finanzjongleure. Noch besteht Hoffnung für Yasuní, denn die Regierung hat im Jänner die Frist für eine Einigung mit den reichen Ländern um sechs Monate verlängert.
Beim Klimawandel ist die Zeit der Warnungen längst vorbei. Wir stecken bereits mitten in der Krise. Die Eisschollen der Arktis schmelzen weit rascher als das International Panel on Climate Change (IPCC) der UNO noch vor einem Jahr erwartete. Sein damaliger Schluss, dass die Welt die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80% verringern muss, an sich schon keine einfache Aufgabe, beruhte auf der Annahme, das arktische Sommereis würde bis Ende des Jahrhunderts verschwinden. Heute wird vorhergesagt, dass das schon in fünf Jahren der Fall sein wird.
Das arktische Eis funktioniert wie ein Kühlschrank. Ist es weg, wird sich die Erde noch schneller erwärmen. Es trägt auch zum so genannten "Albedo-Effekt" bei – weiße Flächen reflektieren mehr Sonnenlicht als dunkle. Verschwinden Eis und Schnee, absorbieren das dunklere Meer und Landflächen mehr Hitze von der Sonne und tragen zur Erwärmung bei. Das beeinflusst wiederum die arktischen Permafrostböden, die derzeit etwa zweimal mehr CO2 speichern als sich in der gesamten Atmosphäre befindet. Diese Böden beginnen aufzutauen, rund 80 Jahre früher als bisher angenommen … Wir haben einen ersten Punkt erreicht, an dem das Klima kippen könnte. Mit den steigenden Temperaturen kommt es zu positiven Rückkoppelungen, die selbst zur Erwärmung beitragen und möglicherweise einen raschen, unkontrollierbaren und unumkehrbaren Wandel auslösen.
Es ist noch nicht zu spät, eine Katastrophe zu verhindern. Aber fast. Die Erderwärmung hat die Temperatur bereits um knapp 1° Celsius ansteigen lassen, und die bereits in die Atmosphäre emittierten Treibhausgase werden unvermeidlich zu einer weiteren Erwärmung von etwa 0,2° C pro Jahrzehnt führen. WissenschaftlerInnen sagen jedoch, dass wir eine gute Chance haben, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, wenn der Temperaturanstieg auf 2° C beschränkt bleibt.
Das heißt, die Welt muss jetzt einen beschleunigten Dekarbonisierungskurs einschlagen. Dazu müssen die Emissionen in den reichen Ländern um rund 8% pro Jahr reduziert und die armen Länder dabei unterstützt werden, einen kohlenstoffneutralen Entwicklungspfad einzuschlagen. Wenn wir weitermachen wie bisher, steuern wir auf einen Temperaturanstieg von möglicherweise 6° C bis zum Ende des Jahrhunderts zu. Das wäre das Ende des Lebens auf der Erde, wie wir es bisher kannten.
Dass zukünftige Generationen einen völlig verwüsteten Planeten erben könnten, ist jedoch nur eine der vielen Ungerechtigkeiten, die mit dem Problem des Klimawandels eng zusammenhängen.
Ungerechtigkeit Nr. 1: Der Klimawandel trifft die Ärmsten zuerst und am schlimmsten. Hunderttausende sind bereits durch Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen, Wirbelstürme sowie an Krankheiten gestorben, die von der Erderwärmung verursacht werden. Die Zahl der Toten dürfte in wenigen Jahrzehnten auf Millionen steigen. Fast alle dieser Opfer des Klimawandels – und der am meisten Gefährdeten – sind arme Menschen in den armen Ländern (siehe Fakten, S. 34).
Ungerechtigkeit Nr. 2: Die am stärksten Betroffenen haben das Problem nicht verursacht und können nichts dagegen tun. Der Klimawandel ist in erster Linie auf die Verbrennung fossiler Energieträger durch die reichen Länder zurückzuführen, wobei die reichsten auch am meisten zur Erwärmung beigetragen haben.
Ungerechtigkeit Nr. 3: Die Verantwortlichen zahlen nicht. Tatsächlich nehmen die Emissionen von Treibhausgasen – für 80% der Erwärmung ist CO2 verantwortlich, für den Rest Methan, Stickoxide und bestimmte industrielle Gase – in den reichen Ländern weiter zu, obwohl sie das Kyoto-Protokoll unterzeichnet haben, das sie reduzieren sollte. Kyoto hätte auch Finanzhilfe für arme, vom Klimawandel hauptbetroffene Länder wie Tuvalu bringen sollen, aber die internationale Gemeinschaft zeigte sich nur wenig interessiert. Die G-8 hat bisher einen – schockierend unangemessenen – Betrag von sechs Mrd. US-Dollar bereitgestellt, zu verteilen in Form von Weltbankdarlehen. Damit werden betroffene Länder gezwungen, zweimal für ihr eigenes Leiden zu bezahlen, die strengen Weltbankkonditionen als Ohrfeige obendrauf.
Demgegenüber wirken die von den reichen Ländern vorgeschlagenen Lösungen verdächtig wie "Business-as-usual". Das Streben nach Wachstum um jeden Preis wird weiterhin als selbstverständlich betrachtet, trotz der Tatsache, dass es die rücksichtslose Übernutzung endlicher natürlicher Ressourcen war, die uns überhaupt diese Misere eingebrockt hat.
Um ausreichende Emissionsreduktionen zu erreichen, brauchen wir einen sorgfältig geplanten Übergang zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft. Dazu wird u.a. Folgendes erforderlich sein:
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