Seit Menschengedenken wird der Handel im Himalaya und in den Anden auf den schmalen Pfaden entweder von Tragtieren besorgt, von Lamas beziehungsweise Yaks, oder eben von Trägern, die neben ihrer Landwirtschaft als „Hochgebirgs-Spediteure“ arbeiten. Mit dem Bevölkerungsdruck und der Krise der Landwirtschaft wurde dieser Nebenerwerb für immer mehr Menschen zur Hauptverdienstquelle: Der Tourismus macht’s möglich. Er schafft die Nachfrage.
Die Träger der großen Lasten sind oft Saisonarbeiter, die von auswärts in die Einsatzgebiete kommen. Sie sind daher schwer zu organisieren und schutzlos den Marktgesetzen ausgeliefert. Sie verdienen für die gefährliche Knochenarbeit am Berg zwischen fünf und sieben US-Dollar am Tag, oft aber auch weniger. Träger sind häufig Angehörige ethnischer Minderheiten und leiden dadurch nicht selten noch zusätzlich unter Diskriminierung. Sie stammen meist aus niedriger gelegenen Regionen, am Kilimandscharo beispielsweise aus den Städten Moshi und Arusha, leiden also unter der Höhenkrankheit genauso wie die Wanderer und Bergsteigerinnen aus Europa. Aber sie sind schlechter ausgerüstet und verpflegt – und sie arbeiten viel, viel härter. In Nepal beginnen die Traglasten bei 30 Kilo aufwärts. Bis vor kurzem war es gang und gäbe, dass ein Träger im Fall von Krankheit ausbezahlt und nach Hause geschickt wurde – ohne Begleitung, fern der Heimat und im Hochgebirge.
Immer wieder bin ich auf meinen Reisen Lastenträgern begegnet, habe ihre Dienste in Anspruch genommen, habe sie bedauert, bewundert, fotografiert. Mit der Zeit sind sie zum Thema meiner Fotografie geworden: Träger in verschiedenen Lebenssituationen, in verschiedenen Weltregionen. Nicht nur ihr hartes Leben wollte ich zeigen, ihre prekäre Ausrüstung, die Witterungsbedingungen im Hochgebirge, ihre Armut, sondern auch ihre Würde: den Ernst und die Schönheit der Gesichter; Träger, wie sie lachen, essen, tanzen.
Die Begegnung mit Kanchaman Rai war der Auslöser dafür, daraus ein Projekt zu machen. Im Frühjahr 2005 fand ich beim Abstieg vom Everest-Basecamp in Nepal einen Buben. Er war kaum ansprechbar und lag quer über den Pfad am Boden, sein geflochtener Tragekorb leer daneben im Gebüsch. Er war am Ende seiner Kräfte zusammengebrochen. Der junge Träger hatte Lasten zum Basecamp getragen und seit drei Tagen nichts gegessen. Er war gerade 14 Jahre alt.
Ich kümmerte mich um den Buben und konnte ihn bei einem befreundeten Lodgebesitzer-Ehepaar unterbringen, wo er sich schließlich nicht nur erholte, sondern ein Jahr lang als Helfer blieb. Er hat Glück gehabt. Zwei Tage vorher wurde unterhalb des Ortes Pangboche (4.000 m) an einer Hängebrücke ein Träger gefunden, der, offenbar höhenkrank, abgestiegen, dann aber zusammengebrochen und gestorben war.
Die Ausstellung will die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Schwerstarbeiter über den Kreis (potenzieller) Trekking-Touristen hinaus bekannt machen und den Blick auch auf den entwicklungspolitischen Kontext ihrer Länder lenken. Viele der betreffenden Bergregionen sind heute Schutzgebiete: Das Annapurna-Gebiet und der Sagarmatha-Nationalpark in Nepal, der Kilimandscharo Nationalpark in Tansania. Wir haben, langsam aber doch, begriffen, dass die fragile Ökologie im Hochgebirge geschützt werden muss. Und die Menschen? Neben umweltverträglichem Reisen muss auch die Sozialverträglichkeit zu einem Qualitätsmerkmal werden.
Nähere Informationen zur Situation der Lastenträger, über konkrete Projekte zur Verbesserung ihrer Lage und den Verhaltenskodex der International Porter Protection Group finden Sie unter:
www.ippg.netDie Fotoausstellung wird in Zusammenarbeit mit Südwind-Tirol vom 18. April bis Ende Oktober im Schlossmuseum Landeck gezeigt. Geöffnet Di bis So von 10 bis 17 Uhr. Infos
www.schlosslandeck.atKontakt: ines.zanella@suedwind.at