„Die biologische Vielfalt – die Vielfalt an Lebewesen und Organismen – ist die Grundlage unserer Landwirtschaft und damit unserer Ernährung und unseres Überlebens“, schreibt Eva Lachkovics, gemeinsam mit Gertrude Klaffenböck Herausgeberin dieses Sammelbandes. „Wer die genetischen Ressourcen kontrolliert, kontrolliert die Menschheit.“ Es war die jahrtausendelange vielfältige Kulturarbeit bäuerlicher Gemeinschaften und indigener Völker, vor allem in den Ländern des Südens, die diesen Reichtum hervorgebracht hat; und dieser bildet auch heute ihre unmittelbare Existenzgrundlage.
Durch die Fortschritte der Wissenschaft bei der Manipulation genetischen Materials ist die biologische Vielfalt des Südens für die im Bereich Biotechnologie, insbesondere Gentechnologie engagierten transnationalen Konzerne interessant geworden. Ihr Interesse an der profitablen Vermarktung ihrer Produkte hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren Patente auf Lebensformen – ja sogar auf einzelne Gensequenzen -, die ihren Inhabern Monopolrechte einräumen, weltweit durchgesetzt worden sind. Das diesbezügliche innerhalb der Welthandelsorganisation WTO eingerichtete Übereinkommen über handelsbezogene Rechte des geistigen Eigentums (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights – TRIPS) wird in dieser Publikation einer ausführlichen und fundierten Kritik unterzogen: Es beruht auf einem Konzept von geistigem Eigentum, das sich allein an der gewerblichen Nutzung orientiert und im Widerspruch zu den ethischen Auffassungen der meisten Kulturen des Südens steht.
So zeigt René Kuppe in seinem Beitrag auf, dass das „System des Schutzes durch ‚Eigentums‘-Rechte kein adäquates Schutzsystem für das Wissen indigener Völker“ ist. Obwohl in die Entwicklung gentechnischer Produkte oft traditionelles Umweltwissen dieser Völker eingeht, wird dieses Wissen „in unfairer und diskriminierender Weise vom Erfinderschutzsystem ausgeschlossen“. Angesichts der durch dieses Konzept geistigen Eigentums vorangetriebenen Kommerzialisierung und der damit drohenden Enteignung, ja Zerstörung des traditionellen Wissens lokaler Gemeinschaften sprechen manche VertreterInnen des Südens bereits von „biologischem Kolonialismus“.
Während das TRIPS-Übereinkommen also, so Guardial Singh Nijar vom Third World Network in seiner lesenswerten Analyse, „darauf hinaus läuft, die Rechte transnationaler Konzerne auf Kosten der Menschen und der Kleinproduzenten in der ‚Dritten Welt‘ durchzusetzen“, öffnet das 1992 beim Erdgipfel in Rio beschlossene Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) „einen Weg zum Schutz alternativer Wissenssysteme. Das Wissen, die Innovationen und Praktiken indigener und einheimischer Gemeinschaften werden als Schlüssel für die Bewahrung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt angesehen. Die Regierungen verpflichten sich, diese Elemente zu achten, zu bewahren und zu erhalten.“
Den jüngsten Erfolg gegenüber den Liberalisierungstendenzen nach WTO-Muster stellt das Ende Jänner 2000 abgeschlossene Protokoll über biologische Sicherheit (Biosafety-Protokoll) dar, das die Ablehnung von Patenten auf biologisches Material unter Berufung auf das Vorsorgeprinzip ermöglicht. Tewolde Berhan Gebre Egziabher aus Äthiopien, der Verhandlungsführer des Südens, beschreibt die Hintergründe.
Das Ringen um die genetischen Ressourcen der Erde und damit die brisante Diskussion zwischen den Ländern der „Dritten Welt“ und den Industrieländern über die Patentierung von Lebensformen geht weiter. Die Propaganda der Biotechnologie, sie liefere die Lösung für das Problem des Hungers, stößt weltweit auf Skepsis (und wird im Buch von der spanischen NGO GRAIN widerlegt).
Der vorliegende Band bietet nicht nur einen fundierten und kompetenten Einblick in die verschiedenen Facetten des Themas – biologische Vielfalt, Hunger, Gentechnologie, rechtliche Regelungen -, die Vielfalt der AutorInnen und gebotenen Sichtweisen entspricht, trotz mancher Überschneidungen, durchaus dem Gegenstand. Kurze Einführungen zu den einzelnen Kapiteln, prägnante Randtexte sowie im Anhang Erläuterungen zu den wichtigsten Begriffen und Adressen einschlägiger NGOs erhöhen Lesbarkeit und Gebrauchswert. Zu hoffen bleibt, dass der Anspruch der Herausgeberinnen, einen Anstoß zur weiteren Beschäftigung mit diesem für unsere Zukunft so wesentlichen Thema zu geben, möglichst oft in Erfüllung geht.
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