Es ist in der Wirtschaft durch die Globalisierung einfach alles irrsinnig kompliziert geworden. Früher sind Turnschuhe in Deutschland hergestellt worden. Oder Strickwesten in Vorarlberg. Aber heute nähen sie die Turnschuhe in einer asiatischen Billigfabrik, die von einer deutschen Strickweste geleitet wird, die in Vorarlberg die Fäden in der Hand hält.
Jochen ist müde. So kurz vor Jahresende, wo schon alle nur mehr an den Jahresabschluss denken, sagt ihm Charlotte, die Personalverantwortliche, dass die Stimmung in der Belegschaft nicht so gut ist. Jochen versteht das nicht. „Wir machen so viel: Wir schaffen Arbeitsplätze, die Leute können Weihnachtsgeschenke kaufen. Sie müssen für die Benützung der PCs nicht zahlen und sie dürfen sich die Farbe der Krawatte selbst aussuchen. Und wenn sie eine Idee haben, dann dürfen sie diese einbringen. Selbst wenn sie schwul sind oder eine Frau! Was sollen wir denn noch alles machen? Sollen wir afrikanische Masken oder Buddha-Statuen in die Büros stellen? Sollen wir einen Schamanen durch die Büros schicken, der mit den Leuten Papiermeditationen macht: ‚Nehmt ein Blatt Papier, spürt die Energie vom Papier, spürt die Energie vom Baum dahinter, die Liebe vom Baum. Sonst wirft der Baum einen Fluch auf euch, oder noch schlimmer: auf den Drucker!’“
„Charlotte“, sagt er, „glaubst du, mir macht das immer Spaß? Ich würde auch lieber in zerrissenen Jeans zu einem guten Morgen-Saufen fahren, als im Armani-Anzug zu einer After-Work-Party. Ich würde auch lieber Reiskörner verteilen in einem Slum von Nairobi, als dauernd in Sitzungen über Tabellen und Bilanzen reden.“
Aber der Druck. Die letzten Quartalszahlen waren sehr mäßig. Beim Jahresabschluss müsse eine Steigerung zum Vorjahr herauskommen. Und bevor nicht jeder Haushalt in Deutschland zehn Strickwesten und 30 Paar Turnschuhe aus Vorarlberg habe, die in Asien gefertigt werden, sei noch Luft nach oben. „Da geht noch was“, sagt Jochen. „Der Markt ist nie zu.“ Man müsse halt dran bleiben. Und auf die Belegschaft eingehen. Klar. „Charlotte“, sagte er, „glaubst du, würde die Stimmung steigen, wenn wir wirklich einen Schamanen organisieren?“ „Vielleicht wäre es ja schon einmal ein guter Anfang, wenn Du allen frohe Weihnachten wünschst und das ernst meinst.“
Geneigte Leserin, geneigter Leser, an dieser Stelle habe ich den Film dann abgedreht. Immer dieser Kitsch um diese Jahreszeit.
Georg Bauernfeind ist Kabarettist und Publizist in Wien.
Programm und Termine auf www.georg-bauernfeind.at
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