Das weltberühmte Filmfestival FESPACO in Burkina Faso zeigte zwischen Ende Februar und Anfang März die Vielfalt afrikanischer Produktionen. Abseits des Großereignisses kämpfen kreative Initiativen allerdings um das Überleben der Lichtspieltheater.
Die Schlange im Institut Français ist lang. Schon eine Stunde vor Filmbeginn stehen in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou viele Cineastinnen und Cineasten an und wollen die letzte Chance nutzen, den Film „La Pirogue“ des senegalesischen Filmemachers Moussa Touré zu sehen. Während des Festival panafricain du cinéma et de la télévision de Ouagadougou, kurz FESPACO, wurde der Streifen fast täglich gezeigt. Das Flüchtlingsdrama galt lange als heißer Anwärter auf den Étalon de Yennenga, die höchste Auszeichnung des Festivals. Nach der 90-minütigen Vorführung gibt es für Touré stehende Ovationen. Der Film zeigt, wie 30 Afrikanerinnen und Afrikaner verzweifelt versuchen, in einem Holzboot auf die kanarischen Inseln überzusetzen.
Mit dem wichtigsten afrikanischen Filmpreis wird aber dieses Mal „Tey“ (Aujourd’hui) ausgezeichnet, eine Produktion über den letzten Tag im Leben eines Mannes. Regisseur Alain Gomis, der ebenfalls aus Senegal stammt, zeigt sich über die Ehrung gerührt. Und begeistert von der Vielfalt des afrikanischen Kinos.
Davon erleben die meisten Afrikanerinnen und Afrikaner jedoch nichts. Wann und wo oder ob sie die ausgezeichneten Filme überhaupt sehen können, ist unsicher. Es ist sogar wahrscheinlicher, dass sie in europäische Programmkinos kommen, als dass sie irgendwo in Togo, Benin oder Guinea-Bissau über die Leinwand flimmern. Während des FESPACO hat man allerdings einen anderen Eindruck. Jeder Taxifahrer in Ouagadougou spricht einen auf das Filmfestival an. Für jede Gemüsehändlerin ist klar, dass die vielen Europäerinnen und Europäer zum Filmeschauen ins Land gekommen sind. Doch sobald mit der Preisverleihung die letzte Klappe gefallen ist, spielt das Kino nur noch eine kleine Nebenrolle – wenn überhaupt.
In Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt Burkina Fasos, ist Kino völlig verschwunden. Einst gab es hier drei Lichtspielhäuser, heute erinnert nur noch die Leinwand des Ciné Guimbi an die lange Kinotradition. Auch auf dieser ist seit acht Jahren kein einziger Streifen mehr gelaufen. Trist sei das, sagt Berni Goldblat, ein Filmemacher aus der Schweiz, der seit vielen Jahren in der Stadt lebt. Doch so soll es nicht bleiben.
Goldblat hält einen winzigen roten Stuhl in der Hand. Gefertigt wurde er aus einer Blechdose, in der einst geschälte Tomaten waren. Mit dem Verkauf der kleinen Stühle, die eine Patenschaft für die großen Kinosessel darstellen, und anderen Ideen will er gemeinsam mit MitstreiterInnen das Ciné Guimbi wieder zum Leben erwecken.
„Wir sehen die Plakate und die Ankündigungen für Filme. Doch gezeigt werden diese nur in Ouagadougou“, sagt Goldblat. Die Hauptstadt liegt fünf bis sechs Autostunden entfernt, der Kinobesuch ist damit für die meisten unmöglich. Dabei würden die Menschen das Kino lieben, so der Schweizer. Es sei ein beliebter Treffpunkt, zu dem man beispielsweise Bekannte oder die neue Freundin einlädt. Kino sei ein Stück Lebensqualität.
550.000 Euro soll die Renovierung von Ciné Guimbi kosten. Neben zwei Kinosälen sind auch eine Cafeteria, eine Bar, Projekte für Frauen und Kinder sowie Live-Übertragungen von wichtigen Fußballspielen geplant. Denn so könnte das alte Lichtspieltheater mehr als nur Kino sein und zum sozialen und kulturellen Treffpunkt der Stadt avancieren. Und Berni Goldblat ist sich sicher: Das Projekt lohnt sich auch wirtschaftlich.
Für Städte, in denen eine Mittelschicht lebt, mag das stimmen. Doch auf dem Land sieht es häufig anders aus. Für jemanden, der pro Tag drei bis fünf Euro verdient, sind die Eintrittspreise der kommerziellen Kinos schlicht unerschwinglich. Das Cinéma Numerique Ambulant (CNA) bietet deshalb in mittlerweile sieben Ländern kostenlose Vorstellungen an. Dafür muss niemand in eine weit entfernte Stadt fahren. Stattdessen kommt das Kino zu den ZuschauerInnen. Für die allermeisten von ihnen ist es die erste Kinovorführung ihres Lebens.
„Wir sind dort, wo die Menschen keine Möglichkeit haben, überhaupt ins Kino zu gehen“, erklärt Rosalie Ndah, CNA-Präsidentin in Afrika, das seit zwölf Jahren bestehende Projekt. Die 15 CNA-Autos haben dafür alles an Bord: Leinwand, Beamer, Kabel, Generator – und der Kinoabend ist gesichert.
CNA macht deutlich, dass alternative Kinomodelle in Afrika durchaus eine Chance haben. Allerdings ist das mobile Kino auf Spenden und Fördermittel aus Europa angewiesen. Daran wird es letztendlich auch hängen, ob das Konzept auf neue Staaten ausgeweitet werden kann. „Das Interesse ist in vielen Ländern da“, sagt Ndah, „aber wir müssen darum kämpfen und sind auch auf den guten Willen unserer Partner angewiesen.“
Katrin Gänsler ist Korrespondentin mehrerer deutschsprachiger Medien. Sie lebt in Lagos, Nigeria und Cotonou, Benin.
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