Nach dem G8-Gipfel in Gleneagles stellt sich die Frage: Was bleibt für Afrika?
Politiker und Demonstranten haben das schottische Gleneagles wieder verlassen und mit ihnen Afrika die Bühne der internationalen Aufmerksamkeit. Beim jährlichen Gipfel der Staats- und Regierungschefs der acht großen Industrienationen (G8) hatte der britische Premier Tony Blair, diesjähriger Vorsitzender der G8, Afrika mit dem Afrika-Aktionsplan ganz oben auf seiner Agenda platziert. Was ändert sich damit für den Kontinent, der als der ärmste am Globus gehandelt wird?
Die Ergebnisliste, die Tony Blair nach dem Gipfel präsentierte, klingt eindrucksvoll: Man wolle die afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur stärken, Good Governance – also eine verantwortungsvolle Regierungsführung – unterstützen, Hilfe bei der Bekämpfung der Korruption leisten, entschiedener gegen HIV/Aids und andere Krankheiten vorgehen, Gesundheits- und Bildungswesen in Afrika stärken sowie Afrikas Wirtschaft und Handel fördern. Das von den Führern der G8 und EU-Kommissionspräsident Barroso unterschriebene Schlusskommuniqué fällt jedoch durch schwammige Formulierungen auf. Man werde verstärken, verbessern oder unterstützen. Nur zwei Maßnahmen wurden fixiert: Ein Schuldenerlass von 40 Mrd. US-Dollar für zunächst 18 der höchst verschuldeten Länder der Welt, 14 davon in Afrika, sowie eine Verdoppelung der Entwicklungshilfe für Afrika bis 2010.
Beide Zugeständnisse sind aber kein Ergebnis des Gipfels. Die Entschuldung wurde bereits im Vorfeld bei einem Treffen der Finanzminister im Juni beschlossen. Sie betrifft nur Verbindlichkeiten bei Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank oder der Afrikanischen Entwicklungsbank. Den ausgewählten Staaten wird der jährliche Schuldendienst von insgesamt 1,5 Mrd. US-Dollar erlassen. Im Vorjahr leisteten sie Rückzahlungen von insgesamt 23,5 Mrd. Dollar. Nun bleiben ihnen also rund 6,5 Prozent ihrer vorjährigen Kreditleistungen erspart. Und die Festsetzung der Entwicklungshilfe bei 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens geht als Forderung bis in die späten 1960er Jahre zurück und wurde zuletzt bei der UN-Konferenz in Monterrey 2002 erneut bestätigt.
Olusegun Obasanjo, Präsident von Nigeria und zur Zeit Vorsitzender der Afrikanischen Union (AU), erwähnte in Gleneagles in knappen Worten den „großen Erfolg“ der Konferenz. Kritisch betrachtet relativiert sich dieser jedoch. „Afrika braucht einen großen Sprung vorwärts – es hat aber nur kleine Schritte bekommen“, fasst Jo Leadbeater, Kampagnenleiterin der renommierten britischen Entwicklungsorganisation Oxfam, die Enttäuschung zusammen. Völlig ausgeblendet blieben als eines der größten Problemfelder die unfairen Handelsbedingungen.
Im Afrika-Aktionsplan spielt der gerechte Zugang afrikanischer Produkte zum globalen Markt eine bedeutende Rolle. Umgesetzt wurde bisher sehr wenig. Die 20 reichen Industrienationen der OECD subventionieren ihre Bauernschaft mit jährlich 350 Mrd. Dollar, entweder direkt oder durch Preis stützende Marktbarrieren. Dieser Betrag ist 16-mal so hoch wie die gesamte Afrika-Hilfe der OECD. Auf die Notwendigkeit einer Handelsreform hat während des Gipfels u. a. auch Oxfam dringend hingewiesen. Den Angaben der Organisation zufolge gehen für jeden aufgewendeten Spendendollar zwei Dollar wegen unfairer Handelsbedingungen verloren. Dies kostet die armen Staaten jährlich 100 Mrd. Dollar. Die G8-Führer müssten sich für faire Handelsbedingungen stark machen, da sich die diesbezüglichen Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO in der Doha-Runde unglaublich langsam fortbewegen. In Gleneagles hätte man für den notwendigen Schwung sorgen können.
Eine Reform der Subventionspolitik stellt sowohl die Führung der Europäischen Union als auch der USA vor große innenpolitische Probleme, die anlässlich der durch Blair vom Zaun gebrochenen Debatte zur Erstellung des EU-Haushaltes sichtbar wurden. Blair verband dabei das komplexe Problem der Agrarsubventionen innerhalb der EU strategisch geschickt mit seinen Forderungen nach fairen Handelsbedingungen für Afrika. Mit der Präsentation dieses gordischen Knotens wischte er das Thema quasi selbst vom Tisch – nicht ohne dabei zu signalisieren: Er hätte ja gerne, aber man ließ ihn nicht. Der Ball ist damit wieder bei der WTO. Im Dezember findet in Hongkong deren nächste Ministerkonferenz statt, bei der man sich auch wieder der bereits 2001 ins Leben gerufenen Doha-Entwicklungsagenda widmen wird.
Tom Spielbüchler ist freier Journalist und Universitätslektor in Salzburg mit dem Forschungsschwerpunkt Konflikte in Afrika.