Der Islam, dem bereits mehr als ein Fünftel der Weltbevölkerung, die Mehrheit unter 25, angehört, beschäftigt den Westen. Auch deshalb, weil er selbst erhebliche Anteile an muslimischer Bevölkerung hat. Ob weltweite Terrorangst, Minarettverbot in der Schweiz oder hierzulande die Fehleinschätzung patriarchaler Gewalt als kulturell bedingt durch die heimische Judikatur („Ehrendelikt“): Die Herausforderung des Westens durch den Islam besteht darin, ihn nicht zu einem homogenen „Anderen“ zu machen.
Die folgenden Thema-Seiten, die wir von unserer Partnerzeitschrift New Internationalist übernommen haben, zeigen ein schillerndes und differenziertes Bild der islamischen Welt mit ihren unterschiedlichen Kulturen, ethnischen Gruppen und Ideologien. Das Verhältnis zur Politik ist heiß umstritten. Theorie und Praxis sind voll von Brüchen und Ausnahmen von der Regel. Verlangt der Islam eine Theokratie oder ist das Konzept eines islamischen Staates zutiefst unislamisch, wie Ziauddin Sardar (siehe Seite 42) betont?
Ungeachtet der Bemühungen um eine moderne, universalistische Interpretation von Islam steht die Tatsache, dass extremistischer Islam gezielt gefördert und politisch instrumentalisiert wird. Wo es um Islam und Politik geht, gibt es fast immer auch versteckte Interessen. Nicht nur im Kalten Krieg. Die Grenzen zwischen Religion, Tribalismus, Ölinteressen und Autoritarismus sind schwer zu ziehen.
Es ist der Fundamentalismus und nicht der Islam per se, der zu einer massiven Verschlechterung der gesellschaftlichen Stellung der Frauen oder von Minderheiten, wie etwa Homosexuellen, geführt hat, wie die saudi-arabische Feministin Wajeha al-Huwaider betont (siehe Seite 40). Schließlich, so al-Huwaider, hätten ihre Mutter und ihre Großmutter mehr Rechte und Freiheiten gehabt als sie heute.
Die größte Herausforderung für den Islam besteht darin, vorhandene Werte und kulturelle Traditionen in die Moderne zu überführen und friedlich in einer globalisierten pluralistischen Welt zusammenzuleben.