Wenn einzelne Konsumentinnen und Konsumenten die Einhaltung von Arbeitsrechten fordern, können das Unternehmen vielleicht noch überhören. Wenn aber der öffentliche Sektor Bedingungen stellt, werden diese auch erfüllt, erklärt Jim Cranshaw, Vertreter von Electronics Watch, im Interview.
Electronics Watch setzt sich für die Rechte jener ein, die in der globalen Elektronikindustrie arbeiten. Eine wichtige Rolle spielen dabei öffentliche Einrichtungen und deren Kaufkraft. Warum?
Begonnen haben diese Überlegungen bei der Textilproduktion. Mein liebster Fall betrifft eine Fabrikschließung in Honduras. In einem Zulieferer der US-amerikanischen Sportbekleidungsfirma Russell Athletic wurden 2.000 Arbeiterinnen und Arbeiter gekündigt, weil sie eine Gewerkschaft gründen wollten. Sie riefen international um Hilfe, und People & Planet, die Organisation für die ich sonst arbeite, brachte 110 Universitäten weltweit dazu, keine Sportsachen dieser Marke mehr zu kaufen. Die Fabrik musste wieder aufsperren und alle entlassenen Arbeitskräfte einstellen. Und die Gewerkschaft wurde dann auch zugelassen.
Inwiefern hat dieser Erfolg Ihre weitere Strategie beeinflusst?
Wir erkannten, dass die Kaufkraft der Universitäten ein machtvolles Instrument ist. Also gründeten wir ein Konsortium für Arbeitsrechte („Worker Rights Consortium“, Anm.), das Arbeitsbedingungen weltweit überprüft. In Großbritannien, den USA und Kanada konnten wir über 180 Unis als Mitglieder gewinnen.
Wenn Lieferverträge mit Firmen ausgehandelt werden, müssen sich diese verpflichten, dass ihre Zulieferer die Arbeitsrechte und die jeweilige nationale Arbeitsgesetzgebung einhalten. Sie müssen offenlegen, wer ihre Zulieferer sind und eine Überprüfung durch die Zivilgesellschaft zulassen. Wir arbeiten mit Gewerkschaften und anderen Arbeitsorganisationen zusammen, die überprüfen, ob die Bedingungen wirklich erfüllt werden.
Jim Cranshaw (34) ist Kampagnen-Manager bei der britischen Organisation People & Planet sowie Aufsichtsratsmitglied von Electronics Watch.
Electronics Watch ist eine unabhängige Organisation zur Überprüfung von Arbeitsbedingungen in der globalen Elektronikindustrie mit dem Ziel, eine sozial verantwortliche öffentliche Beschaffung in Europa zu fördern. Gegen Zahlung einer Gebühr werden die beteiligten Einrichtungen u.a. mit aktuellen Informationen über ihre Lieferanten versorgt und die Arbeitsbedingungen vor Ort überprüft.
Der öffentliche Sektor der EU gibt jedes Jahr geschätzte 94 Milliarden Euro für elektronische Geräte aus.
In Österreich ist die entwicklungspolitische Organisation Südwind über das Projekt „Clean-IT“ Teil von Electronics Watch.
Und nun soll speziell auf den Elektroniksektor Druck ausgeübt werden.
Genau. Electronics Watch arbeitet nach einem ähnlichen Schema wie eben beschrieben. Wir sind bereits in sieben EU-Ländern vertreten, darunter Österreich. Wir wenden uns aber nicht nur an Unis, sondern an öffentliche Stellen insgesamt: Stadtverwaltungen, Spitäler, Ministerien. Dafür haben wir für nun drei Jahre die finanzielle Unterstützung der EU.
Gibt es schon Erfolge?
Eines unserer Mitglieder ist die Beschaffungsagentur der Londoner Universitäten. Sie organisiert den Ankauf von Laptops für den gesamten Hochschulbereich in Großbritannien. Mit Apple wird jetzt ein Vertrag über ungefähr 100 Millionen Euro für vier Jahre abgeschlossen. Darin verpflichtet sich Apple zur Einhaltung unserer Standards.
Gibt es schon öffentliche Stellen in Österreich, die Teil von Electronics Watch sind und darauf achten möchten, wie ihre elektronischen Geräte produziert werden?
Noch nicht. Aber wir hatten schon gute Gespräche mit der Allianz Nachhaltige Universitäten in Österreich und mit der Bundesbeschaffung GmbH.
Ist es in Zeiten von Sparpaketen realistisch, dass öffentliche Stellen höhere Preise in Kauf nehmen, um Menschenrechte zu wahren?
Es geht nur um einen geringen Beitrag für die Finanzierung des Netzwerks in der Höhe von 0,1 Prozent der Beschaffungsausgaben. Das finanziert die unabhängige Überprüfung. Diese ist notwendig, denn die Selbstüberprüfung durch die Industrie ist systemisch korrupt. Das Rana Plaza Gebäude in Bangladesch wurde zwei Wochen vor seinem Einsturz von der größten so genannten Auditing-Firma der Welt überprüft. Alles wurde für in Ordnung befunden, obwohl es nicht einmal Feuerausgänge gab.
Interview: Ralf Leonhard
R.L. ist freier Journalist in Wien und schreibt regelmäßig für das Südwind-Magazin zu entwicklungspolitischen Themen.
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