Die Diskussion um die Rolle der Nichtregierungsorganisationen in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit sollte mit Umsicht geführt werden.
Eine staatliche Stelle denkt über die Rolle nach, die sie den Nichtregierungsorganisationen, also der Zivilgesellschaft zugestehen will. Ein demokratiepolitisches Paradoxon? Nicht, wenn es um die österreichische Entwicklungszusammenarbeit geht. Denn in kaum einem gesellschaftlichen Bereich sind Staat und Zivilgesellschaft so dicht miteinander verwoben wie in diesem: historisch, personell und vor allem in der täglichen Arbeit.
Die Hälfte der „bilateralen Projekt- und Programmhilfe“ des österreichischen Außenministeriums wird über Nichtregierungsorganisationen abgewickelt.
Doch jetzt bläst den Entwicklungs-NGOs ein kalter Wind entgegen. In der (europäischen) Entwicklungszusammenarbeit zeichnet sich ein Trend ab. Staatliche Stellen kooperieren mit staatlichen oder internationalen Stellen, vorbei an den NGOs. Diese sehen sich mit der Frage nach ihrer Legitimität konfrontiert. Und mit der Aussicht, sich auf die Rolle der Anwaltschaft zu beschränken, also sich in der Öffentlichkeit für die Anliegen der armen Länder und Bevölkerungsgruppen stark zu machen und als Akteure in der Projektarbeit nur mehr eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Was die NGOs jahrzehntelang gefordert haben, könnte sich jetzt gegen sie selbst richten. In der Entwicklungszusammenarbeit wird verstärkt den Rahmenbedingungen für Entwicklung Beachtung geschenkt. Und über diese Rahmenbedingungen tauschen sich naturgemäß meist staatliche oder internationale Stellen untereinander aus. Entschuldungsmaßnahmen etwa sind Budgethilfen für Staaten. Auch Entwicklung als Aspekt von globaler Sicherheit zu sehen, wie es im Rahmen des Entwicklungshilfeausschusses der OECD-Länder gerade diskutiert wird, ist inhaltlich gut begründbar. Allein die guten Ideen scheitern am Geld. Denn die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit bleiben unter dem Strich annähernd gleich. (Österreich liegt bei den EZA-Leistungen 2004 an drittletzter Stelle der EU – ohne neue Beitrittsländer). Wenn Sicherheitsausgaben, wie geplant, und Schuldenstreichungen in die gleich bleibenden EZA-Budgets gerechnet werden, entsteht an der Basis eine gefährliche Lücke.
Entwicklungspolitik besteht immer aus einem Mix von Maßnahmen und Politiken auf verschiedenen Ebenen – von der Basis über den Nationalstaat zu den internationalen Institutionen. Die NGOs haben ein exklusives Wissen über Entwicklung an der Basis und direkten Zugang zur Bevölkerung in den Einsatzländern. Die ProjektmitarbeiterInnen von heute sind die MultiplikatorInnen von morgen. Sie leisten unbezahlt unbezahlbare PR-Arbeit für das Themenfeld Entwicklung. Ohne direkte Kontakte durch Projektarbeit würde auch ihre Anwaltschaft ausgehöhlt.
Insgesamt macht die bilaterale Programm- und Projekthilfe in Österreich nur etwa knapp über 10 Prozent der gesamten Entwicklungszusammenarbeit aus. Kleiner Anteil, große Wirkung.
Die Diskussion um die Rolle der NGOs muss umsichtig in der Sache und gemäßigt im Ton geführt werden. Es steht viel auf dem Spiel: ein über Jahre angesammeltes unverzichtbares Wissen über die Arbeit an der Basis sowie ein jahrelang aufgebautes gutes Verhältnis zwischen staatlichen Stellen und Zivilgesellschaft.
Entwicklung ist ein komplexer Prozess, der unterschiedliche Akteure braucht. Und natürlich viel mehr Geld. Ein Ausspielen der Aktionsebenen untereinander ist fürs Budget hilfreich, für die Sache jedoch fatal.