Unterbezahlte Praktika, unbezahlte Volontariate und kostenpflichtige Auslandseinsätze: Ohne die Ausbeutung junger Menschen geht in der Entwicklungszusammenarbeit scheinbar gar nichts mehr.
Um als junger Mensch einen ordentlichen Job zu ergattern, muss man einiges vorweisen können. Heutzutage gehören Praktika in einen Lebenslauf hinein, um Engagement zu zeigen und um erste berufliche Erfahrungen zu sammeln.
Nun scheint eine Zeit angebrochen zu sein, in der immer mehr Praktika und damit noch mehr Erfahrungen notwendig sind, um sich letztendlich erfolgreich für einen Job zu bewerben. Hinzu kommt der Trend zu unbezahlten Praktika – mit diesem selbstlosen Einsatz schindet man dann noch mehr Eindruck bei Bewerbungen.
Oder sind diese unbezahlten Praktikumsstellen ein vom System verkleidetes Instrument, um an Gratis-Arbeitskräfte zu kommen? In meinem Tätigkeitsfeld, der Entwicklungszusammenarbeit (EZA), stützt sich der Apparat jedenfalls auf VolontärInnen. Das ist eine Erfahrung, die immer mehr Studierende machen müssen.
Internationale Organisationen, die sich um die Menschenwürde bemühen und in der EZA tätig sind, bezahlen ihren PraktikantInnen nichts oder weniger als die vorgeschriebene Mindestsicherung – und das für Vollzeitjobs. Wenn man Glück hat, bekommt man den Fahrschein zur Arbeit rückvergütet. Oftmals werden nur Studierende für Praktika herangezogen, da muss sich der Arbeitgeber dann nicht einmal um die Versicherung kümmern. Hinzu kommt der Trend des Erfahrungsammelns im Ausland – auch unter Studierenden aus EZA-fernen Studiengängen, die für diese Erfahrungen sogar bezahlen. So wird etwa zwei Wochen lang Waisenkindern geholfen, bevor es auf zur Safari geht – für tausende Euro.
Eine kleine Umfrage innerhalb meines Freundeskreises hat ergeben, dass eine Person bereits ihr sechstes Volontariat absolviert hat. Es gibt niemanden, der oder die nicht mindestens einmal gratis gearbeitet hat. Das Ganze scheint also System zu haben: Das Feld der EZA stützt sich einerseits auf junge und motivierte „Gutmenschen“. Andererseits werden Auslandspraktika zum Abenteuerurlaub mit dem Beigeschmack von „etwas Gutes tun“.
Dabei geht es in der EZA doch eigentlich darum, Gleichwertigkeit und Fairness herzustellen. Diese Werte werden nach außen hin beschworen, währen sich das System gleichzeitig auf junge motivierte Gratis-Arbeitskräfte stützt.
Vor einigen Jahren noch galten Studium und Ausbildung als Eintrittstickets in die Berufswelt des gewählten Feldes. Heutzutage zählen andere Dinge. Nun geht es darum, möglichst viele Praktika vorweisen zu können.
Oftmals haben Studierende jedoch Verpflichtungen, die es ihnen nicht erlauben, gratis zu arbeiten, oder es fehlen die finanziellen Ressourcen, sich diese „Arbeitserfahrungen“ zu leisten.
Dieses System führt also nicht zwingend dazu, die bestqualifizierten jungen Menschen zu finden. Sondern es sind jene BewerberInnen erfolgreich, die es sich leisten können, unterbezahlte oder unbezahlte Praktika zu absolvieren.
Julia Siart studierte Internationale Entwicklung in Wien und Health Inequalities and Public Policy in Edinburgh, Schottland. Ihre Schwerpunkte sind: Recht auf Nahrung, Menschenrechte, EZA, Gender, Konsum.
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