Dem Machtvakuum auf Madagaskar nach den Wahlen im Dezember setzte Marc Ravalomanana ein Ende, indem er sich selbst zum Präsidenten ernannte. Putsch oder legitime Machtübernahme?
Die Bekanntgabe der neuen Regierung von Madagaskar durch Jaques Sylla führte am 28. Februar zur Verhängung des Kriegsrechts auf der Insel. Der größten Tageszeitung des Landes (Midi Madagasikara) war diese Maßnahme gerade eine Erwähnung auf Seite 6 wert. Die Armee erklärte sich für neutral, womit sie auch nicht verhinderte, dass die neu ernannten Minister in den jeweiligen Ministerien inthronisiert wurden.
Der scheidende Präsident Ratsiraka hat sich in der Zwischenzeit in die Hafenstadt Toamasina, die sich in seiner Herkunftsprovinz befindet, zurückgezogen. Fünf der sechs Gouverneure haben Anfang März ihre Provinzen für unabhängig von Antananarivo und Toamasina zu ihrer Hauptstadt erklärt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Hauptverbindungen ins Hochland von Ratsiraka-AnhängerInnen blockiert.
Diesen Straßensperren trat die Exekutive ebenso wenig entgegen wie gewaltsamen Ausschreitungen, die vereinzelt in Provinzstädten und dann auch in der Hauptstadt vorkamen. Dass bis zu diesem Zeitpunkt insbesondere die Demonstrationen weitestgehend friedlich verlaufen waren, wird dem Einfluss der christlichen Kirchen in der Bewegung Ravalomananas zugeschrieben. Hymnengesang, Gebete, Lesungen aus der Bibel gehörten ebenso zum Ablauf der bis zu 1,3 Millionen TeilnehmerInnen umfassenden Demonstrationen wie die Auftritte des Hoffnungsträgers der Bevölkerung, Ravalomanana. Aus dieser täglich erlebten Unterstützung, den kilometerlangen Defilees von BannerträgerInnen mit den Aufschriften von privaten Firmen, Banken, öffentlichen Einrichtungen, Schulen etc. schien Ravalomanana die Überzeugung zu gewinnen, den von allen mit großer Begeisterung aufgenommenen Schritt der Selbstproklamation zum Präsidenten zu wagen.
Ravalomananas Handeln wurde vom Ausland mit Ablehnung registriert und als „Putsch“ gewertet. Dies hat allerdings nur die patriotischen Tendenzen seiner Anhängerschaft gestärkt. Andererseits führt gerade diese einseitige internationale Berichterstattung dazu, dass sich die in Madagaskar lebenden AusländerInnen dafür einsetzen, die Ereignisse auf der Insel auch medial differenzierter zu betrachten.
Thema der Berichterstattung war immer wieder die Frage, inwieweit die politische Auseinandersetzung nicht auch einen ethnischen Konflikt zwischen den Côtiers (Küstenbewohnern) und dem im zentralen Hochland lebenden Volk der Merina reflektiert. Deren Dominanz auf der Insel reicht in das 19. Jahrhundert zurück, als sie mit Unterstützung der Briten weite Teile des Landes unterwarfen und unterdrückten. In vielen politischen Statements Ratsirakas und seiner Anhänger werden bestehende Ressentiments bewusst mobilisiert und die Gefahr einer Renaissance dieser Dominanz, personifiziert durch den Merina Ravalomanana, beschworen. Als Folge davon häufen sich Drohungen, an den Küsten ansässige Merina zu vertreiben. Es ist zu bemerken, dass Ravalomanana immer wieder die Einheit des Landes beschwört und dieser drohenden Gefahr durch die Bildung einer das ethnische Panorama widerspiegelnden Regierungsmannschaft entgegentritt.
Was macht den Erfolg Ravalomananas, der in allen Provinzen außer der Heimatprovinz Ratsirakas gewonnen hat, aus? Der heute 51-jährige arbeitete sich vom Joghurtverkäufer zu einem der größten Unternehmer Madagaskars empor. Angeblich beschloss er deswegen, sich politisch zu betätigen, weil ihm die Genehmigung zur Errichtung eines Geschäftes verweigert worden war. Seinen Kampf gegen Bürokratie und Korruption konnte er als Bürgermeister der Hauptstadt effektiv umsetzen. Die innerhalb kurzer Zeit realisierten Veränderungen in Tana machten ihn zu einer Symbolfigur, der man es zutraute, das Land aus der wirtschaftlichen Misere zu führen. Die Kandidatur des Quereinsteigers für das Präsidentenamt führte zu vielerlei Behinderungen und Schikanen
Der Kampf gegen die Armut und die Betonung des eigentlichen Reichtums des Landes waren die Schwerpunkte der Wahlkampagne. Von vielen Madagassen wird Ratsiraka als Hauptverantwortlicher für die Verarmung des Landes gesehen. Die immer massiver werdende Korruption ermöglichte ein System, das nicht die Entwicklung des Landes, sondern die persönliche Bereicherung einiger weniger Clans unterstützte. In diesem Zusammenhang wird der Familie Ratsiraka u.a. vorgeworfen, profitgierig und Hauptnutznießer der Saphirfunde von Ilakaka zu sein.
Nach den Präsidentenwahlen besteht allgemein der Wunsch nach einer friedlichen Lösung der politischen Auseinandersetzungen, aber auch die Hoffnung, die Saphirfunde doch noch auf den Exportstatistiken zu finden.
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