Schwere Hungerkatastrophen seit 1845. StudienVerlag, Innsbruck 2003, 300 Seiten, € 29,-
Kein Desaster tötet so viele Menschen wie der Hunger, verursacht durch Kriege, Misswirtschaft oder Naturkatastrophen. Wie der Name des Buches schon andeutet, kann Hunger nicht als gottgegebenes Naturphänomen betrachtet werden. Denn meistens ist er nur ein Verteilungsproblem. Wie wäre es sonst zu erklären, dass aus der berüchtigten Sahelzone während der großen Hungerkatastrophe um 1970 Nahrungsmittel exportiert wurden?
In Indien verhungerten während einer anhaltenden Dürre 1876/77 an die sechs Millionen Menschen, in China rund zehn Millionen. In Indien trugen die britischen Kolonialbehörden, die Nahrungsmittel aus Indien ausführten und sogar zuließen, dass eine Getreideladung vor der Hungerküste verschimmelte, einen großen Teil der Schuld.
Der Mensch kann Katastrophen abfedern oder verschärfen. Im 20. Jahrhundert haben auch große Dürrekatastrophen auf dem indischen Subkontinent keine vergleichbaren Verheerungen anrichten können. Die Straßen wurden verbessert, nach der Unabhängigkeit wurden landesweit Vorräte angelegt. In China hingegen verhungerten Ende der 50er Jahre während Maos Landreform – von der Welt weitgehend unbemerkt – zwischen 15 und 70 Millionen Menschen.
Keine Regierung weist gern konkrete Zahlen über Hungertote aus. So schwanken denn auch die Angaben, je nach Quelle, ganz gewaltig. Für die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts geht man von jährlichen Opfern zwischen – extrem niedrig gegriffenen – 15 und höchstens 70 Millionen aus. Trotz dieser prekären Faktenlage unternimmt der Autor nicht nur den Versuch einer Chronik der Hungerkatastrophen der letzten 150 Jahre, er versucht auch nachzuweisen, dass und wie der Hunger gemacht wird.