Jive Talker: Samson Kambalu

Von Thomas Divis · · 2010/06

gelesen von

Roman. Aus dem Englischen von Marlies Ruß. Unionsverlag, Zürich 2010; 349 Seiten, € 20,50

Mit 17 Jahren ließ sich der 1975 in Malawi geborene Samson Kambalu im Dorf seines Vaters in den traditionellen „Gule-Wamkulu“-Kult initiieren: „Ich hatte meine Maske an den römischen Redner Cicero und den verrückten Nietzsche angelehnt. Ich war der Geist eines fortschrittlichen Eingeborenen, der zu viele Bücher gelesen hatte und dabei ein wenig durchgedreht war. Auf meinen Stelzen, die von einem aus Sackleinen gefertigten zweireihigen Frack im Stil des 19. Jahrhunderts bedeckt waren, trug ich einen rosaroten Holzkopf mit winzigen Ohren und großen hervorstechenden Augen wie ein Flusspferd. Der Mund war von einem überdimensionalen Schnurrbart vollständig bedeckt, der es mir manchmal erschwerte zu sehen, wo ich hintrat. In der linken Hand hatte ich einen Band von Herodots Historien, in der rechten einen kleinen Holzhammer zum Zerschlagen von Idolen. (…) Zum Trommelrhythmus groovend, betrat ich den Bwalo und zischte den Zuschauern in einem Prince-Falsett obszöne Ausdrücke auf Latein entgegen: dem Dorfobersten ‚Quin futuis uxorem tuam foedam?‘; dem Publikum ‚Mande merdam et morere! Mande merdam et morere!‘ und dem Anthropologen ‚Suge meum aquaeduct‘. (…) Ich stakste mit meinen Malkreiden durch die Gegend und malte Graffiti auf Lehmhütten, meistens auf Griechisch.“

Völlig unorthodox, sehr intelligent und extrem witzig schildert Samson Kambalu sein Aufwachsen in Malawi. In „Jive Talker“ wimmelt es von Dingen, darunter blonde Barbie-Puppen, die Sklavenschiffe rudern oder schwarze Mambas im trauten Heim. Kaum eine Seite gibt es, die die LeserInnen nicht in ihren Bann zieht. Klischees von einem Leben in Afrika haben darin von vornherein keine Chance.

Und weil in der faszinierenden Religion „Holyballismus“, die der Autor als Zwölfjähriger entwirft, ein Fußball eine zentrale Rolle einnimmt, darf ich Ihnen dieses Buch auch zur WM 2010 ganz besonders empfehlen. Samson Kambalu lebt heute als Konzept-Künstler in London. Näheres über seine „Religion“ auf www.holyballism.com.

 

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