Mensch oder Tier? Tourismus oder Sicherung von Grundbedürfnissen der einheimischen Bevölkerung? In Simbabwe scheint man mit dem CAMPFIRE-Programm der Lösung dieser scheinbaren Widersprüche näherzukommen.
Das hat uns Jon Hutton erzählt. Auf unserer Reise durch Simbabwe trafen wir ihn in der Hauptstadt Harare. Er kennt sich aus mit Nationalparks und mit dem schwierigen Zusammenleben von Tier und Mensch in diesem Land. Jon Hutton ist Direktor des Africa Resources Trust (ART), einer privaten simbabwischen Organisation, die fundierte Information zu diesem Thema international anbietet. Denn Entscheidungen fallen oft nicht dort, wo das Problem entsteht.
Zum Beispiel Tierschutz: Elefanten haben – wie auch die Wale oder die Robbenbabies – eine starke Lobby. Elefantenschlächter werden selbst jene genannt, die sich für den kontrollierten Abschuß einsetzen. Als sich im Juni 1997 die in Harare tagende CITES-Konferenz dafür entschied, den Elefanten von Anhang 1 des Artenschutzübereinkommens auf Anhang 2 zu setzen und somit in Simbabwe, Namibia und Botswana einen kontrollierten Handel mit Elfenbein zu gestatten, schrien UmweltschützerInnen auf. US-amerikanische Organisationen stellten zum Beispiel ihre Unterstützung für ART ein, weil diese NRO die Entscheidung befürwortet hatte.
In Simbabwe leben rund 75.000 Elefanten. Die Hälfte davon wäre ökologisch und sozial verträglich. Daß wilde Tiere die Arbeit eines ganzen Jahres im Handumdrehen zunichte machen, ist für die Bauernfamilien häufige leidvolle Erfahrung. Auch Büffel, Flußpferde, Wildschweine oder Antilopenherden trampeln über ihre Felder, zerstören Mais, Sorghum oder Wassermelonen. Manchmal ist ein ganzes Dorf einer Elefanten-Großfamilie im Weg. Sie hinterläßt einen Trümmerhaufen, wo vorher Rundhütten waren und Getreidespeicher, Holzzäune und sorgfältig angelegte Gemüsegärten.
12 Prozent des Landes Simbabwe sind für geschützte Nationalparks reserviert. Sie bringen Touristen und Touristinnen ins Land, über 1 Million im Jahr, und damit Einnahmen. Reichtum an wilden Tieren sind eine wunderbare Sache für Gäste. Denn je mehr Tiere hier leben, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, sie vor das Gesicht und vor die Kamera zu bekommen.
Dem Schutz bedrohter Tierarten kann man orbehaltlos zustimmen. Doch was, wenn dies dem Menschen und der Befriedigung seiner grundlegendsten Bedürfnisse im Weg steht? Mensch oder Tier? Daß dies auch in den präkeren wirtschaftlichen Situationen von Ländern der Dritten Welt nicht ein unlösbarer Widerspruch sein muß, versucht Simbabwe mit dem Programm CAMPFIRE (Communal Areas Management Programme for Indigenous Resources) zu beweisen. Mit herzeigbaren Erfolgen.
Masoka im Nordosten des Landes, unweit der Grenze zu Mosambik, war noch vor wenigen Jahren eine traurige Gegend. Der Boden gibt nicht viel her. Es ist „communal land“ (Gemeindeland) und wie überall in Simbabwe zum Anbau den Schwarzen zugeteilt worden, als sich die weißen Kolonialherren die besten Böden für riesige Tabak- oder Bauwollfarmen aneigneten.
Auch entzog man der ursprünglichen Bevölkerung die Verantwortung für den wertvollen Wildbestand. Mehr noch, viele Siedlerfamilien wurden im Laufe der Jahrzehnte aus den entstehenden und staatlicher Kontrolle unterworfenen Naturparks abgesiedelt.
„Für die Menschen hier sind Nationalparks zum Feindesland geworden“, sagt Jon Hutton. „Je mehr Tiere man tötete, heimlich als Wilderer natürlich, umso mehr Geld landete in den eigenen Taschen und verschwand nicht auf den verschlungenen Wegen des Staates. Je weniger Tiere es gab, umso eher würden auch die Touristen wegbleiben und man könnte zurück in ein Gebiet mit häufig besserer Lebensgrundlage als derjenigen auf dem ‚communal land‘.“
Das Geheimnis von CAMPFIRE ist ganz einfach: den umliegenden Gemeinden die Verantwortung für die Naturparks und die Einnahmen daraus zu übertragen. Sie sind für die Erhaltung der Parks zuständig. Sie kontrollieren den Wildbestand, pflegen die Fauna, organisieren den Safari-Tourismus, bauen Unterkünfte für BesucherInnen, stellen Führer, sorgen für Umzäunung, Bewachung usw. Sie entscheiden im Rahmen der Gesetze über Abschüsse, verkaufen sie für gutes Geld an Großwildjäger. Ein erlegter Elefant wird dann zur Gänze verwertet. Wilderer hingegen nehmen häufig nur das Elfenbein und lassen den Tierkörper liegen.
Masoka war eine der ersten Gemeinden, die 1989 CAMPFIRE beigetreten ist. Mit den Einnahmen aus den Safaris und den Abschüssen hat man ein Krankenhaus gebaut, und die 140 Familien verdienen nicht schlecht. Es geht aufwärts in Masoka. Die meisten CAMPFIRE-Gemeinden findet man heute aber entlang des Kariba Sees, im Westen des Landes. Auf der letzten Jahrestagung des dortigen Nyaminyami Wildlife Komitees waren zwei Themen zentral: Wie wird man das Problem der Wilderer los, die über Distriktgrenzen kommen? Noch mehr Wachen aufstellen? Wie steht das im Verhältnis zu den Kosten? Die zweite Frage, welche hitzige Diskussionen auslöste, war: Was machen wir mit dem verdienten Geld? Wieviel geben wir für Gemeinschaftseinrichtungen aus? Wieviel sollen die Familien verdienen?
„In manchen dieser Gemeinden gibt es natürlich auch das Problem der Korruption“, erfahren wir von Peter Nadiza. Er studiert Volkswirtschaft an der Universität von Simbabwe in Harare und kommt aus der Bezirksstadt Binga am Kariba See. „Aber warum sollte es im kleinen anders sein, als es die große Politik in unserem Land vormacht?“
Grundsätzlich findet er das CAMPFIRE-Programm positiv. „Es bringt Verantwortung näher an die Betroffenen heran. Es kann in diesen Gemeinden Ansätze von Demokratie auslösen, es hebt die Lebenschancen der Bevölkerung, und der Wildbestand ist inzwischen zum Teil besser gepflegt als vorher.“
Besonders wichtig scheint ihm, daß das CAMPFIRE-Programm auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen verankert ist. Die Gesamtkoordination, Schulung der Gemeinden, Forschungstätigkeit und Information auf internationaler Ebene wird arbeitsteilig von der „Collaborative Group“ mit Vertreterinnen und Vertretern aus dem Ministry of Local Government, Rural and Urban Development, dem Department of National Parks and Wild Life Management, aus NROs wie dem Zimbabwe Trust, ART, WWF und aus der Universität von Simbabwe getragen. Inzwischen zeigen andere Länder des südlichen Afrika bereits großes Interesse daran, das Programm zu übernehmen.
Wie Peter Nadiza sind viele in- und ausländische BeobachterInnen der Meinung, daß die Idee des CAMPFIRE-Programms hervorragend ist. Die Durchführung, sprich die Übertragung in die politische und soziale Realität Simbabwes, läuft jedoch nicht immer klaglos. Kritisiert wird die zu geringe Mitsprache der betroffenen Bevölkerung, allen voran der Frauen, von Anfang an. Einige Dorfgemeinschaften beklagen, daß ihnen zu wenig der Erträge zugute kommt, diese scheinbar bei den Bezirksverwaltungen „hängen bleiben“. Andere lehnen den Beitritt zum CAMPFIRE ab, weil sie fürchten, daß Ackerland in Naturparks umgewidmet werden könnte, weil Wildtiere höhere Einnahmen versprechen als der Anbau von Nahrungsmitteln.
In Nyamuroro führt uns Mr. Mudzamba, Direktor der Secondary School, über das riesige Schulgelände. 700 Kinder gehen hier zur Schule. Auch eine Handwerker-Ausbildung wird angeboten, die übrigens von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium mitfinanziert wird. Die benachbarte Primary School platzt mit 900 Kindern aus allen Nähten. In Nyamuroro wurden Schulgebäude für den A-Level, also etwa für ein Oberstufengymnasium, neu errichtet. Es wird das erste im gesamten Distrikt Gokwe North sein. Der Stolz ist Mr. Mudzamba anzusehen: „Wir brauchen dann unsere Kinder nicht mehr nach Harare zu schicken. Wir können sie hier bis zur Hochschulreife unterrichten.“
Der Bau wurde fast zur Gänze von den Gemeinden finanziert. „Ich weiß, viele von euch Europäer sind gegen den Abschuß von Elefanten“, sagt er, um dann mit erhobenem Zeigefinger fortzusetzen: „Aber solange hier nur ein Kind nicht zur Schule gehen oder nur eine Familie sich nicht sattessen kann oder kein sicheres Dach über dem Kopf hat, werde ich dafür sein, sie im Rahmen der Gesetze zu jagen.“
Eine gute Woche später sitzen wir im Hwange Nationalpark und warten lange vergeblich auf die Elefanten. Leichte Zweifel kommen uns: Hat man die Jäger doch zu großzügig bedient und uns des Vergnügens beraubt? Dann lesen wir nach: Mehr als 20.000 Dickhäuter soll es in Hwange geben. Na also. Da werden doch ein paar … Schließlich machen wir uns auf die Suche. Mit dem Auto fahren wir die weit verzweigten Straßen ab. Eigentlich folgen wir unserer Nase. Je duftender – weil frischer – die Dunghaufen werden, um so mehr steigt die Aufregung. Und als wir die Elefanten dann im Buschwerk dicht neben der Straße erspähen, halten wir doch tatsächlich den Atem an.
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