Ein ökonomisches Programm für eine gerechtere Welt
Aus dem Amerikanischen von Thorsten Schmidt und Udo Rennert. Siedler Verlag, München 2005, 480 Seiten, 1 25,60
„In diesem Buch geht es um die Beendigung der Armut in unserer Zeit“: Jeffrey Sachs, der vielumworbene und vielgereiste US-amerikanische Ökonom meint es ernst. Für ihn ist Armut kein unveränderliches Schicksal. Modernes Wirtschaftswachstum und Entwicklung sind für ihn überall auf der Welt möglich. Schließlich waren vor 200 Jahren fast alle auf der Welt arm, die meisten davon haben seitdem eine rasante Entwicklung erlebt, und auch für das letzte Sechstel der Weltbevölkerung ist dies möglich.
Seit über 20 Jahren hat Sachs (lange im Auftrag der Weltbank) Länder beraten und aus Krisen manövriert oder dies zumindest versucht. Seinen persönlichen Lernprozess, wie er seine ökonomischen Analysen Schritt für Schritt auch in Richtung Ökologie und Soziales erweiterte und ein komplexes System für Entwicklungshilfe konstruierte, beschreibt er nachvollziehbar und lebendig in seinem Buch.
Die detaillierten und sehr anschaulichen Betrachtungen lokaler Verhältnisse in Ländern wie z.B. Bolivien, Indien oder Russland bilden das Grundgerüst für sein Konzept der „klinischen Ökonomie“. Denn für Sachs kann nur eine sorgfältige Differenzialdiagnose zu einem erfolgreichen Behandlungsplan führen. Jedes Land benötigt eine von westlichen Geldgebern finanzierte, individuelle Medikation. Dazu seien laut Sachs mindestens 60 bis 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr notwendig.
Erst wenn die Armutsfalle durch Hilfe von außen nicht mehr zuschnappt, können sich die Länder selbst helfen und weitere Stufen auf der Entwicklungsleiter erklimmen.
Jeffrey Sachs klingt überzeugend und hoffnungsvoll. Dennoch schleicht sich das vage Gefühl von unerwähnten Schwierigkeiten ein. Das Netz globaler Verstrickungen, die gnadenlosen Weltmarktbedingungen, die völlige Herrschaft der Wirtschaft über die Politik und nur armselige Aufstockungen der Entwicklungshilfebudgets machen dieses Lösungskonstrukt in der Praxis zu einer – positiv ausgedrückt – gewaltigen Herausforderung…