Ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Gewalt?

Von Monika Austaller · ·
Die Diskutant:innen Lukas Wank, Martina Neuwirth und Gerald Faschingeder bei der Veranstaltung
Lukas Wank, Gerald Faschingeder und Martina Neuwirth (v.l.n.r.) © TanjaSchönwolff

Diese und andere Fragen wurden im Rahmen des 1. „Peace & Justice Talks“ am 31. Jänner 2025 behandelt.

„Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“ – so lautet das 16. Entwicklungsziel der UN-Sustainable Development Goals (SDGs). Doch was braucht es, um dieses Ziel bis 2030 zu erreichen? Gerald Faschingeder, Direktor des Paulo Freire Zentrums, diskutierte darüber mit Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, und Martina Neuwirth vom Vienna Institute for International Dialogue und Cooperation (VIDC). Dabei ging es um viele drängende Fragen: Wie kann Gewalt eingedämmt werden? Was haben illegale Finanzströme mit Frieden zu tun? Und wieso kommt das Wort Demokratie in den SDGs nicht vor?

Konflikte nehmen zu
„Aktuell stellen wir eine besorgniserregende Zunahme an Konflikten fest, die größte seit dem Zweiten Weltkrieg“, so Wank. Auch Antisemitismus und Extremismus tritt häufiger auf, ebenso wächst der Druck auf Verteidiger:innen von Menschenrechten.
Auf Schattenwirtschaft und Intransparenz als Ursachen von Konflikten wies Martina Neuwirth hin. Sie arbeitet im internationalen „Tax Justice Network“ mit. Laut SDG-Unterziel 16.4 sollen illegale Finanz- und Waffenströme deutlich verringert werden. Im Zuge des Angriffskriegs gegen die Ukraine gestalte es sich schwierig, gewisse Sanktionen durchzusetzen, weil es oft nicht möglich sei, Oligarch:innen und ihre Vermögen nachzuverfolgen, berichtet Neuwirth. Daher sei im Steuerbereich Transparenz unbedingt notwendig, ebenso wie eine involvierte Öffentlichkeit, eine breite Zivilgesellschaft und grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Frieden ist …
Auf unterschiedliche Definitionen von Frieden machte Lukas Wank, der früher selbst in internationalen Friedensmissionen tätig war, aufmerksam. Negativ werde Frieden als Abwesenheit von Gewalt definiert. Positiv komme der Begriff der Gerechtigkeit einem nachhaltigen Frieden sehr nahe. Die Friedensbewegung habe sich die Agenda 2030 mit den 17 Nachhaltigen Entwicklungszielen noch recht wenig zu eigen gemacht. Internationale Friedensmissionen arbeiten vielmehr mit dem Begriff der Rechtsstaatlichkeit oder in der englischen Übersetzung „rule of law“.

Verhandelbare Demokratie
Ungleichheiten seien seit der Wirtschaftskrise 2008 und der Corona-Pandemie gestiegen. Da dränge sich die Frage auf, warum Demokratie im SDG 16 nicht vorkomme, so Faschingeder. „Demokratie fördert Resilienz, bringt starke Institutionen hervor und kann somit langfristig Frieden und Gerechtigkeit stärken“, betont Wank. Der Begriff Demokratie sei deswegen nicht in den SDGs enthalten, weil die Agenda 2030 von allen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen beschlossen worden sei, eben auch von nicht-demokratischen, somit sei das eine Frage von Macht, argumentiert Wank weiter. Die Stärkung von Institutionen zur Förderung der Demokratie sieht er durchaus auf der entwicklungspolitischen Agenda.

Doppelstandards in Bezug auf Menschenrechte
Ob Demokratie in diesem Zusammenhang als westliches Konzept kritisiert werde? Neuwirth könne das aus ihrer Arbeit mit Partner:innen aus dem Globalen Süden nicht bestätigen. Was sehr wohl beanstandet werde, seien doppelte Standards in Bezug auf Menschenrechte, wenn diese zwar rhetorisch eingefordert, deren Verletzung aber toleriert werde, etwa beim Kobalt-Abbau im Kongo. Es sei ein großer Schritt, dass Menschenrechte erstmals auf Ebene der Vereinten Nationen auch in einem internationalen Steuerabkommen vorkommen.

Monika Austaller arbeitet im Bereich internationale Beziehungen zu sozialen Ungleichheiten und Armutsbekämpfung.

Save the date: Die neue online-Veranstaltungsreihe „Peace&Justice Talks“ des Paulo Freire Zentrums führt auf die 9. Österreichische Entwicklungstagung hin. Diese wird am 21.-23. November 2025 an der Universität Innsbruck stattfinden und sich rund um SDG 16 drehen. Der Call zur Mitwirkung läuft bereits. Weitere Termine und Infos

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