Die Diffamierung von Schwarzafrikanern als Drogendealer hat zuletzt zugenommen. Die afrikanische Community in Österreich möchte mit stärkerem politischen Engagement reagieren. Eine Fortschreibung der SÜDWIND-Titelgeschichte vom Februar.
Szenenwechsel in die Wiener Herrengasse: Vor dem Innenministerium halten Mitglieder der afrikanischen Community eine Mahnwache für Marcus Omofuma, der am 1. Mai Opfer der österreichischen Abschiebepraxis wurde. „Ihr Drogendealer gehört’s alle abgeschoben!“ ist nur eine der Beschimpfungen, die sich die Trauernden anhören müssen.
Die Ende Mai durchgeführte Polizeiaktion gegen angebliche Drogendealer und ihre mediale und politische Inszenierung sind nicht ohne Wirkung geblieben. „Die Beschimpfungen haben zugenommen“, stellt Araba Evelyn Johnston-Arthur, Vorsitzende der afrikanischen Jugendorganisation Pamoja, fest. „Wir Schwarzafrikaner werden vollkommen entmenschlicht dargestellt: Einerseits superaggressiv, andererseits Drogendealer.“
Medien und PolitikerInnen verstärken das Vorurteil, der Großteil der Afrikaner wären Drogendealer. Die „Kronen Zeitung“ stellte bereits in der Berichterstattung über den Tod von Marcus Omofuma diesen falschen Zusammenhang her. Nachdem die FPÖ-Abgeordnete Helene Partik-Pablé im Parlament gemeint hatte, Schwarzafrikaner wären „meistens Drogendealer“ und „besonders aggressiv“, setzte die FPÖ Ende Mai die Diffamierung von Afrikanern in ganzseitigen Zeitungsinseraten fort: „Machtlos gegen 1000 Nigerianer“ und „Handeln Sie endlich, Herr Minister Schlögl!“ hieß es darin.
Zwei Tage später wurde die „Operation Spring“ durchgeführt. Mehr als 100 Personen, vorwiegend Afrikaner, wurden verhaftet und des Drogenhandels beschuldigt. Das Innenministerium präsentierte den Menschenrechtsaktivisten Charles O. als Boss einer Drogenbande. Bei Redaktionsschluß dieser Ausgabe sehen diese „Tatsachen“ etwas anders aus: Von den mehr als 100 angeblichen Mitgliedern der „straff organisierten Drogenbande“ befanden sich Mitte Juni nur noch 43 in U-Haft. Der als Drogenboss vorverurteilte Charles O. wurde zu diesem Zeitpunkt laut seinem Anwalt Andreas Fehringer „nicht mehr als Oberhaupt der Drogenorganisation verdächtigt“.
„Nach der Erstickung von Marcus Omofuma wird nun die Kritik der afrikanischen Community an Menschenrechtsverletzungen erstickt“, kritisiert Johnston-Arthur. „Wir, die für Gerechtigkeit und gegen Rassismus öffentlich auftreten, werden plötzlich als Kriminelle dargestellt.“
„Operation Spring“ fiel in eine Zeit des Aufbruchs innerhalb der afrikanischen Community. Nach den zahlreichen rassistischen Übergriffen durch die Polizei verstärkten die afrikanischen Organisationen die Zusammenarbeit untereinander; man organisierte Kundgebungen und Demonstrationen
„Als wir von der Razzia erfuhren, waren wir schockiert und angeschlagen. Wir sind aber bald zu dem Entschluß gekommen, daß unsere politischen Aktivitäten wichtiger sind denn je“, berichtet Joe Taylor, Vorsitzender von PANAFA (Panafrikanisches Forum).
Auch der Generalsekretär der Vereinigung für ein demokratisches Afrika (ADA), Kilian Okanwikpo, möchte nichts von Resignation wissen: „Wir Afrikaner müssen noch mehr positive Akzente setzen und den Dialog mit den Österreichern verstärken.“ Okanwikpo sieht auch die österreichische Gesellschaft gefordert. „Es müssen beide Seiten Schritte setzen. Es wäre gut, wenn österreichische Organisationen afrikanische Gruppen verstärkt in ihre Arbeit einbeziehen.“
Das Vertrauen in österreichische Gruppen und Parteien ist nach deren Reaktionen auf die Polizeirazzia gesunken. „Wir vermißten offensive Statements und hatten das Gefühl, daß sie uns fallen gelassen haben“, meint etwa Taylor.
Auch der Wissenschafter Di-Tutu Bukassa sieht nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der afrikanischen Community Handlungsbedarf: „Es fehlt in Österreich an Zivilcourage. Der Machtapparat geht gegen ein schwaches Glied der Gesellschaft vor, Stimmen, die dagegen protestieren, sind aber kaum hörbar. Es tut mir weh, daß die Qualität der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in den letzten Jahren dermaßen gesunken ist.“
Ein Indiz dafür sei die Vorverurteilung von Charles O.
Diese ist auch für Johnston-Arthur ein Skandal: „Statt der Unschuldsvermutung gilt für ihn: schuldig, bis seine Unschuld bewiesen ist.“ Sein ihm von der Polizei vorgeworfener Ausspruch „Leave work and join the demonstration“ möchten Pamoja und PANAFA in Zukunft so verwenden, wie er ihrer Meinung nach gemeint war: Als politische Parole, als Aufruf, sich gegen Rassismus zu engagieren. „Wir lassen uns nicht mundtot machen.“
Der Autor ist Politikwissenschafter und Mitarbeiter von Radio Orange 94,0.
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