Der Westen hat ein neues Feindbild: den Islam. Dafür ist sicher auch der US-amerikanische Politologe Samuel Huntington mit seinem berüchtigen und viel zitierten Werk „Kampf der Kulturen“ mit verantwortlich.
Ein schlechtes Buch, weil Huntingtons Thesen wissenschaftlich in vielen Punkten unhaltbar sind. Und doch sehr einflussreich, insbesondere nach dem 11.September. Huntington betätigt sich in den USA als Regierungsberater und missbraucht Wissenschaft für politische Zwecke. Seine These lässt sich reduzieren auf „Wir (die USA und ihre Verbündeten) gegen den Rest der Welt“. Dabei werden politisch-ökonomische Konflikte als kulturelle ausgegeben. Und nach dem Kommunismus hätte sich der Westen gegen den Islam, der quasi naturgegeben fundamentalistisch und terroristisch sei, zu verteidigen.
Der allgemeine Wissensstand im Westen über den Islam darf als gering angenommen werden. Im folgenden SÜDWIND-Thema „Islam“, das wir von unserer Partnerzeitschrift New Internalionalist übernommen haben, kommen ausschließlich muslimische AutorInnen zu Wort. Eine tief schürfende Auseinandersetzung sprengt den Rahmen eines Monatsmagazins. Daher gibt die österreichische Journalistin und Islam-Expertin Gudrun Harrer Literatur-Empfehlungen für alle, die tiefer in die Materie eindringen wollen.
Gezeigt wird auf den folgenden Seiten der Islam in seiner Zerrissenheit zwischen Traditionalismus und Modernisierung. Eine Grundauseinandersetzung, die zum Beispiel auch das römisch-katholische Christentum beschäftigt. Denn auch im Christentum klafft ein Abgrund zwischen den Inhalten der grundlegenden religiösen Schriften und der gelebten Praxis.
Aus muslimischer Innensicht lesen Sie auf den folgenden Seiten auch über zwei Themen, die am häufigsten Inhalt westlicher Islam-Kritik sind: die Stellung der Frau, die ja pauschal als unterdrückt gesehen wird und die Tatsache, dass der Großteil der islamischen Staaten nicht demokratisch regiert wird. Für Ersteres gibt der Koran keine Legitimation, für Letzteres trägt die Machtpolitik der westlichen Staaten nicht unerhebliche Mitverantwortung. Irmgard Kirchner