Weiss / Westermann
Ich würde sie bereits als klassisch bezeichnen, die „Bibliothek des Orients“ des rührigen Wiener Brandstätter-Verlages. Fünf Bände sind bereits in gleicher Ausstattung erschienen – großformatig, mit vielen Farbfotos und einem ausführlichen Textteil: über den Basar, zu Ägypten, Marokko, die Vereinigten Arabischen Emirate. Und alle fünf mit Texten des Wiener Journalisten Walter M. Weiss und des Hamburger Fotografen Kurt-Michael Westermann. Eine Buchreihe, die süchtig macht – und zum Glück fortgesetzt wird: Die nächsten Bände werden Jordanien und dem Jemen gewidmet sein.
Der Iran ist ein in politischer Hinsicht gespaltenes Land. Auf der einen Seite ein kompromisslos fanatisches Theokratenregime, auf der anderen Seite eine aufgeklärte liberale Gesellschaft, die zwar nicht die islamische Republik abschaffen will, doch auf ein auf universellen Standards von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie basierendes System zusteuert. Auch ansonsten ist der Iran ein Land der Gegensätze: archaisch anmutende Landregionen und vor Geschäftigkeit explodierende Großstädte, stockkonservativ und höchst dynamisch, uralte Traditionen und eine extrem junge Bevölkerung: von den 65 Millionen BewohnerInnen sind zwei Drittel unter 25 Jahre alt.
Inhaltlich ist das Buch in verschiedene Routen eingeteilt, die in fast alle Regionen des großen Landes führen. Der ausführliche Streifzug durch Teheran und Umgebung bietet die Gelegenheit zu einem Rückblick auf die jüngere Geschichte des Landes: die Paläste der Schah-Dynastie im Norden der Hauptstadt, die Privatresidenz von Farah Diba, der einstigen Königin der Regenbogenpresse – und am südlichen Stadtrand das Mausoleum von Ayatollah Khomeini. Der riesige, immer noch unvollendete Gebäudekomplex aus Rohbeton kann als Spiegel der gesellschaftlichen Veränderungen im Iran betrachtet werden. Hatten sich beim Begräbnis des großen Imam 1989 noch geschätzte acht Millionen Menschen versammelt, so finden heute nur wenige BesucherInnen den Weg zum jüngsten Heiligtum des Landes.
Die informativen Texte weisen auf einen profunden Kenner der Materie hin. Weiss erzählt in lockerem, flüssigem Stil, der es dem oder der Lesenden ermöglicht, mitzureisen durch den Iran. Wobei, fast unbemerkt, auch viel Hintergrundinformation über Geschichte und Kultur darin verpackt ist.
Nützlich und interessant ein Anhang mit persönlichen Texten von Einheimischen und Iran-Experten, die auf Interviews des Autors basieren. Hier kommen der Schiiten-Fachmann Heinz Halm (Uni Tübingen) und der Islam-Forscher Udo Steinbach (Deutsches Orient-Institut) ebenso zu Wort wie die iranische Filmexpertin Sudabeh Mortezai und der in Wien lebende Regisseur und Märchenerzähler Parvis Mamnun.
Die Fotos von Kurt-Michael Westermann nehmen den Betrachter, die Betrachterin im wahrsten Sinne des Wortes gefangen, fangen ein in den Zauber einer Landschaft, einer Architektur, eines Gesichts. Sie illustrieren die Texte, sprechen aber auch eine eigene Sprache.
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