Was die Europäische Kommission gerade versucht, hat die Regierung Ruandas bereits durchgesetzt: ein breites Verbot von Plastik. Wie andere afrikanische Länder nachziehen, hat Simone Schlindwein recherchiert.
Mit grünen Chirurgenhandschuhen wühlt die Polizistin an der Grenze zu Ruanda im Koffer: Kleidung, Waschbeutel, Schuhe – alles wird sorgfältig geprüft. Sie sucht nicht etwa nach Drogen oder Waffen, sondern nach einem Gut, dessen Einfuhr und Gebrauch in Ruanda illegal ist: Plastiksackerln. Vor zehn Jahren hat die ruandische Regierung das Plastiksackerlverbot verhängt. Seitdem werden an allen Grenzübergängen Koffer sorgfältig inspiziert, die Einkäufe in den Supermärkten nur noch in Papier oder Stoff verpackt und auch der Gebrauch von Glas- und Pfandflaschen setzt sich jetzt durch. Im größten Einkaufszentrum der Handelskette Nakumat im Herzen von Ruandas Hauptstadt Kigali gibt es seit einigen Wochen von Cola bis zum Bier alles nur noch in Glasflaschen – mit Pfand von fast einem Drittel des Kaufpreises, damit die Flaschen auch zurück gebracht werden.
Vorbildland. Nach dem Völkermord von 1994 mit fast einer Million Toten lag das kleine Land in Trümmern. Leichen verwesten auf den Straßen. Jahrelang plagten Seuchen und Krankheiten die Überlebenden des schlimmsten Verbrechens in der jüngeren Geschichte Afrikas.
Als der heutige Präsident Paul Kagame die Macht übernahm, kündigte er an, das Land nicht nur wieder aufzubauen, sondern es zu einem Vorbildland für Afrika zu machen: Vor allem sauber und hygienisch sollte es sein.
Jahrelang haben die RuanderInnen jeden letzten Samstag des Monats ihre Grundstücke, Fußballplätze, Bäche und Flussufer gesäubert. „Umuganda“ nennen sie diese gesetzlich verordnete Putzzeit. Selbst Kagame stand mit Gummistiefeln im Dreck, um Plastikmüll aufzusammeln.
Mittlerweile zählt Ruandas Hauptstadt Kigali zu den saubersten Städten weltweit. Bereits 2001 wurde das erste Müllgesetz verabschiedet. Wer auch nur einen Papierschnipsel auf die Straße fallen lässt, muss seitdem mit harten Strafen rechnen.
Derzeit diskutiert die Regierung eine Verschärfung des Anti-Plastik-Gesetzes. „Unsere Herausforderung ist heute nicht mehr der Gebrauch von Polyethylen-Tüten, sondern jegliches Plastik – vor allem alles, was nur einmal benutzt und dann weggeworfen wird“, kündigte Umweltminister Vincent Biruta Ende Mai an.
Ruandas Regierung sucht schon seit Langem nach ausländischen Investoren, um eine nachhaltige Recyclinganlage zu errichten, in der nicht nur Plastik wiederverwertet, sondern auch Giftmüll – wie Batterien – entsorgt werden kann.
Andere Staaten Afrikas ziehen jetzt nach: Das weltweit strengste Plastikverbot hat Kenia vergangenes Jahr erlassen. Vier Jahre Gefängnisstrafe sieht das Gesetz für den Gebrauch und den Verkauf von Plastiksackerln vor. In kenianischen Schlachthäusern wurden vermehrt Kühe zerlegt, deren Mägen von Plastiksackerln verstopft waren. Das führte zu einem öffentlichen Aufschrei. Dennoch hatte Kenias Parlament zehn Jahre lang über den Gesetzesentwurf diskutiert, bis er endlich durchkam.
Insgesamt haben elf Länder Afrikas, darunter Mali, Botswana und Kamerun, Polyethylene entweder komplett verboten oder zumindest hohe Steuern darauf eingeführt.
Gewaltige Herausforderung. Jedes Jahr landen schätzungsweise acht Millionen Tonnen Plastikmüll in den Weltmeeren. Das ist ungefähr so, als würde jede Minute ein Müllfahrzeug seine Ladung Plastik in den Ozean kippen, so die Umweltorganisation Ocean Conservancy mit Sitz in Washington. UmweltschützerInnen warnen: Wenn es so weiter geht, schwimmt im Jahr 2050 mehr Plastik in den Weltmeeren als Fisch.
Die EU-Kommission will nun Plastik verbieten, das man nur einmal benutzt: unter anderem Plastik-Geschirr, Plastik-Besteck, Trinkhalme oder gar Wattestäbchen. Doch der Großteil des Plastiks in den Weltmeeren stammt nicht aus Europa, sondern aus Asien und vor allem Afrika.
Doch die Plastikindustrie hat einflussreiche Lobbyisten in Afrika. In vielen Ländern wie Uganda oder Kenia sind es Großinvestoren aus Indien oder China, die zu den größten Steuerzahlern und Arbeitgebern im Land zählen.
In Uganda setzen Plastikhersteller rund zehn Millionen US-Dollar pro Jahr um. Deswegen ist in Uganda das Verbot von Plastiksackerln nie in Kraft getreten, obwohl der Gesetzesentwurf seit 2009 auf dem Tisch liegt. Nach dem Verbot in Kenia hat Ugandas Regierung die Plastikhersteller aus Kenia eingeladen, nach Uganda umzusiedeln.
Flüsse als Förderbänder. Die Mehrheit des Plastikmülls wird nicht direkt in die Weltmeere gekippt, sondern über Flüsse in die Ozeane gespült. ForscherInnen des des deutschen Helmholtz Zentrums in München haben zehn Flüsse unter die Lupe genommen, die besonders viel Plastik transportieren. Alle Flüsse liegen in Asien und Afrika.
Das Plastikproblem des Nils, des weltweit längsten Flusses, beginnt bereits an der Quelle. Schon im Victoriasee, dem weltweit drittgrößten Binnengewässer, schwimmen Inseln von Plastikflaschen. Die umgebenden Sümpfe, die natürliche Kläranlage des Sees, sind zur Müllhalde verkommen.
In Afrika gibt es nur in wenigen Ländern überhaupt Müllentsorgungssysteme. In Ugandas Hauptstadt Kampala, direkt am Ufer des Victoriasees gelegen, gibt es gerade einmal drei Firmen, die den Hausmüll einsammeln und auf der gigantischen Müllhalde am Stadtrand entsorgen. Ob Glasflasche, Zeitungspapier, Batterien oder Bananenschale – alles landet auf derselben Müllhalde. Dort sortieren UganderInnen den Müll von Hand. Bis vor kurzem konnten die MüllsammlerInnen Plastikflaschen für wenig Geld an ChinesInnen verkaufen, die am Rande der Müllhalde eine Sammelstation errichtet hatten. Diese schifften das Plastik nach China. Doch mit Beginn des Jahres hat China den Import von Müll verboten.
Den Müll von der Müllabfuhr abholen zu lassen – falls es überhaupt eine gibt – kostet viel Geld. in Kampala zum Beispiel umgerechnet knapp fünf Euro pro Monat. Plastiksackerl und Plastikflaschen gibt es jedoch überall. In Uganda sind die Menschen täglich auf Trinkwasser in Plastikflaschen angewiesen. All dieser Verpackungsmüll wird von der armen Bevölkerung zumeist im Garten verbrannt – oder landet in einem der zahlreichen kleinen Bäche, die zwischen den Hügeln durch die Stadt strömen. Auf dem Weg zum See nehmen sie wie ein Förderband immer mehr Abfall auf, der irgendwann in den Weltmeeren landet.
Simone Schlindwein ist freie Journalistin in der Region der Großen Seen in Afrika und lebt in Kampala, Uganda.
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