Was vor zehn Jahren als origineller Vorschlag galt, dominiert heute die Entwicklungs-Diskussion: der Beitrag der Privatwirtschaft zur Verbesserung der Lebenssituation der Armen. Alle scheinen auf diesen Trend aufzuspringen: die staatliche Austrian Development Agency widmete dem Thema „Wirtschaft und Entwicklung“ eine Programmwoche, der NGO-Dachverband Globale Verantwortung organisiert Fortbildungen dazu. Auch die österreichischen Unternehmen sind aufgewacht – nicht zuletzt weil Prognosen ihnen künftig 70% ihres Profitwachstums in Entwicklungsländern voraussagen.
Bislang hat die entwicklungspolitische Szene das – ohnehin bescheidene – Engagement heimischer Firmen im globalen Süden vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der getarnten Exportförderung kritisiert. Einen positiven Beitrag zur Armutsbekämpfung sah darin kaum jemand. Das könnte sich nun ändern.
Wir stehen schon längst nicht mehr einer homogenen Masse von Armen gegenüber. Es gibt in Entwicklungsländern eine zunehmende Zahl von Menschen, die nicht nur ein oder zwei US-Dollar am Tag zur Verfügung haben, sondern vier bis zehn. Während die Ärmsten der Armen weiterhin auf die Unterstützung durch Hilfsprojekte angewiesen sein werden, kann und will sich die untere Mittelklasse etwas leisten: Handys, eine einfache Solarbeleuchtung, einen Kühlschrank.
Diese KonsumentInnen wollen weder Restposten noch High-Tech Produkte zu westlichen Preisen. Sie wollen günstige, leistungsfähige und robuste Geräte für ihre Bedürfnisse – ohne Schnickschnack. Und genau hier liegen die Chancen und gleichzeitig der Beitrag der Privatwirtschaft. Es gibt eine wachsende Zahl von Unternehmen, die maßgeschneiderte Produkte auf die neuen Märkte bringen. Das Zauberwort dabei heißt „frugal innovation“ – auf Deutsch „sparsame Innovation“. Der berühmte 100-Dollar-Laptop ist ein Beispiel dafür. Oder Ultraschall- und EKG-Geräte um weniger als tausend Euro, die ärmeren Menschen eine zeitgemäße Diagnostik ermöglichen. Oder eine App, mit der man per Smartphone Augen auf grauen Star untersuchen kann, was die augenmedizinische Versorgung in Entwicklungsländern revolutionieren könnte.
Der Privatsektor kann durchaus einen Beitrag zu den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit leisten. Vor zu viel Euphorie sei jedoch gewarnt. Der „Markt der Armen“ birgt hohes Risiko, die Margen sind gering. Der Aufbau von funktionierenden Vertriebs- und Wartungsnetzen in Slums oder schlecht erschlossenen Regionen setzt starke Nerven, interkulturelles Verständnis und einen langen Atem voraus.
Von österreichischen Firmen hört man in dieser Hinsicht noch wenig – leider. In vielen Nischen Weltmarktführer, könnten sie innovative Produkte herstellen, die für KundInnen in Entwicklungsländern leistbar sind, aber trotzdem Qualität „Made in Austria“ aufweisen. Es wäre erfreulich, bald Erfolgsgeschichten zu hören.
Friedbert Ottacher ist Berater und langjähriger Praktiker in der Entwicklungszusammenarbeit. Abwechselnd mit Petra Navara und Thomas Vogel setzt er sich an dieser Stelle kritisch mit Theorie und Praxis dieses Arbeitsfelds auseinander.
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