Der Widerstand gegen die Herrschaft der Finanzmärkte und die politische Untätigkeit hat eine kritische Größe erreicht. Jetzt geht es darum, wie er politisch wirksam werden kann.
Wir leben in produktiven Zeiten. Das Wissen wächst, der materielle Wohlstand wächst, die Ungleichheit wächst. Und es wächst auch der Widerstand. Noch nie wurde von so vielen Menschen an so vielen Orten der Welt Logik und Moral des herrschenden Systems kritisch hinterfragt wie heute. Still für sich, weil die Zukunftsversprechen sich als unhaltbar erweisen, und laut auf den Straßen – von Santiago de Chile über Athen, New York, Jerusalem nach Frankfurt und Wien. Bis vor kurzem noch Unvorstellbares geschieht. In der arabischen Welt werden Diktatoren verjagt, und in den für „unpolitisch“ gehaltenen USA gehen die Menschen, vor allem die Jugend, auf die Straße. Immer mehr Menschen fühlen sich nicht angemessen beteiligt, vom „System“ verraten, ihrer Zukunftschancen beraubt, sehen ihren Wohlstand bedroht und vor allem: sich von den herrschenden PolitikerInnen, auch wenn sie sie selbst gewählt haben, nicht vertreten.
Die aktuelle Krise hat den Herrscher der Wirtschaft, „den Markt“, als riesiges Kasino entlarvt. Und die darin spielen, haben kein exklusives Wissen oder besondere Fähigkeiten. Sie haben die Krise nicht vorausgesehen, können nicht mit ihr umgehen und übernehmen auch keine Verantwortung. Die Antriebskräfte sind Egoismus und Gier. Aber eines haben sie offenbar besser geschafft als die „ganz normalen Leute“: Sie haben ihre Interessen in den politischen Strukturen fest verankert und gut abgesichert. Noch nie war das so vielen Menschen bewusst wie jetzt. Das Wissen, wie die Finanzmärkte gezähmt und die Ungleichheit verringert werden könnte, ist vorhanden. Doch wer wendet es an? Man muss keine Verschwörungstheoretikerin sein, um festzustellen, dass diejenigen, die das politische Ruder in der Hand haben, entweder zu schwach rudern oder gar nicht oder nicht in die Richtung, die dem Gemeinwohl dient. Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt so viel über gutes Leben, Gemeinwohl und die Frage, welche Rolle der Staat dabei spielt, diskutiert wird – zum Beispiel bei der 5. österreichischen Entwicklungstagung, die kürzlich in Krems stattgefunden hat (siehe SWM 10/2011, Seite 24).
Das Wissen und die Energie zur Veränderung sind da. Was noch fehlt, ist die angemessene Form. Gesucht sind also neue Wege, neue Formen und auch neue Institutionen der Beteiligung von Menschen an der Politik. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen stehen damit vor einer neuen Herausforderung. Sie müssen ihr Selbstverständnis von „Nichtstaatlichkeit“ überdenken. In der aktuellen Krise zeigen die Bemühungen, die staatliche Politik „von außen“ mitzugestalten, zu wenig Wirkung. An vielen Orten der Welt und in vielen Zusammenhängen stellt sich die im Grunde gleiche Frage: Wie kann die Partizipation der Menschen an der Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse verwirklicht werden? Es geht um nichts weniger als die (Rück-)Eroberung der Politik, um die Herstellung einer echten Demokratie, die diesen Namen verdient.
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