Die ganze Nacht lang höre ich Klagelaute. Es sind die Ziegen, die an der Moschee um die Ecke eng zusammen gebunden stehen und ihrem Ende entgegen klagen. Morgen beginnt das islamische Opferfest.
Meine fünfjährige Tochter, (noch) unbekümmerte Fleischesserin, hat schon die Sate-Spieße bereit gelegt. Wir sind in ein Dorf zu einer Freundin eingeladen. Beim Opferfest wurden in der Vergangenheit „nur“ Ziegen geschlachtet. In diesem Jahr ist – dank bescheidenem Wohlstand – ein Bulle hinzugekommen. Die Reichsten im Dorf spenden die Tiere, verteilt wird das Fleisch an alle DorfbewohnerInnen.
Im Dorf empfängt man uns mit offenen Armen. „Seid Ihr Muslime?“, fragt eine Frau, die im Eingang der Moschee steht. „Nein“, antworte ich. „Macht nichts. Kommt rein.“ Drinnen singen Kinder am Mikrophon abwechselnd „Allahu akbar“ – Gott ist groß. Später schauen wir dem großen Schlachten zu. Mehrere Männer ziehen die Ziegen zu Boden, halten sie fest, dann setzt einer ein scharfes Messer an der Kehle an. Während das Tier binnen weniger Minuten verblutet, tätschelt einer der Männer ihm beinahe zärtlich den Kopf. Auch der Bulle stirbt auf die gleiche Weise. Von einem Dutzend Männer wird er sorgfältig in Portionen zerlegt, die an alle verteilt werden. Außer den Zähnen wird jedes Stückchen verwertet.
„Mir tun die Tiere zwar leid“, sagt meine Tochter. „Aber ich finde es auch gut, dass die Reichen den Armen was zu essen geben.“ Auch ich wohne dem Blutbad mit gemischten Gefühlen bei. Ich esse wenig Fleisch, kann aber nicht ganz darauf verzichten. Darüber nachzudenken, dazu hat mich dieser Tag mehr inspiriert als jeder schnelle Einkauf im Supermarkt.
Anett Keller
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