Als Österreicherin habe ich mich erst einmal daran gewöhnen müssen. Wenn man in Argentinien jemanden kennenlernt, wird man nach dem Namen und der Nationalität gefragt. Damit ist das weltweit übliche Geplänkel aber schon beendet und es wird ernst. Es folgt nämlich die Frage: „Und du bist Anhängerin von welchem Club?“ Es geht um Fußball. Natürlich. Du bist so lange Ausländerin oder Ausländer, bis du deinen Verein gefunden hast. Kaufst du dein erstes Vereins-T-Shirt, dann bist du reif für die Einbürgerung. Das steht in keinem Gesetz, das ist einfach so.
Wochenende. Schon am frühen Nachmittag trifft man sich zum Mate-Trinken, das nahtlos in die übliche Grillfeier übergeht. Im Hintergrund läuft als Soundtrack zur argentinischen Familienidylle die Live-Übertragung der Sonntagspartie. Fußball ist Passion: Es wird geschrien, geflucht, gesprungen, gesungen, skandiert, gefeiert und – gelitten. Es ist kein Vergnügen, Fußballfan zu sein. Eine medizinische Studie würde wahrscheinlich landesweit eine erhöhte Herzinfarktrate während der 90 Spielminuten feststellen.
Die argentinische Regierung hat die Rechte der Bundesliga-Übertragungen erworben. Dem glücklichen Volk wird seither im staatlichen Fernsehen „Fußball für alle“ gezeigt – mit in Untertiteln eingeblendeter politischer Werbung der Regierung. Mittlerweile hat aber hier der Sommer begonnen und fast fürchte ich mich vor dem Ausbruch einer Revolution. Denn WAS um Himmels willen macht man in Argentinien an einem Wochenende ohne Fußball?
Yvonne A. Kienesberger
Fan „Club Atlético River Plate“
Ushuaia, Feuerland, Argentinien
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