Keiner schämt sich der Untaten, denen er seinen Rang verdankt, aber doch der abstehenden Ohren, die er von seinen Eltern hat. Tatsächlich ist der Beschämung, gleich welchem Versagen sie gilt, immer eine körperliche Komponente beigegeben. Die Psychoanalyse lehrt, dass das mit unserer frühen Kindheit zusammenhängt, als unser Versagen noch ein schlichtes Nichtbeherrschen der Leibesfunktionen war; aber mit dieser Belehrung ist nicht viel darüber gesagt, was Schande und Beschämung über uns und eine Welt verraten, die die unsere gerade auch dann bleibt, wenn wir sie als fremd und feindselig empfinden.
Wie wir die Beschämung körperlich erfahren, indem wir erröten, den Blick zu Boden senken, unruhig mit den Füßen zu scharren beginnen, in der stickigen Luft der guten Gesellschaft nicht mehr atmen zu können glauben, so hat sie auch eher in etwas Körperlichem ihren Anlass als in Geistigem, Moralischem, Charakterlichem. Sich in einer Situation durch heftiges Zittern als ängstlich erwiesen zu haben, beschämt uns mehr, als in einer anderen durch unser berechnendes Verhalten zu verraten, wie hartherzig wir sein können, wenn es lohnt.
Ich kenne einen imponierenden Mann der Wirtschaft, der sich zwanghaft davor schützt zu schwitzen. Nicht dass er seine Untergebenen anschreit, bei Gelegenheit einen Familienvater entlässt, für cholerisch unberechenbar gilt und sich jede Woche ein paar Mal an einen Jähzorn verliert, für den er sich nach ein paar Minuten artig bei den Mitarbeitern zu entschuldigen weiß, nicht dies ist ihm ein fortgesetzter Anlass der Scham. Was ihn peinigt, ist vielmehr, dass er dabei tüchtig ins Schwitzen kommt und der Umgebung im sauren Geruch seiner Anstrengung kenntlich wird.
Ein Schwein zu sein stört wenig, ein schwitzendes Schwein zu sein, ist eine Blamage.