Ankunft in Kyoto, Ende Mai: Nach einer Zug- und Schiffreise um die halbe Welt stand ich am Bahnhof von Kyoto und war völlig verloren. So viele Menschen liefen hastig an mir vorbei und unverständliche Schriftzeichen zeugten davon, dass ich nun wirklich in einer fremden Welt war. Fast eine Stunde lang stand ich im Eingang des riesigen Bahnhofs und blickte gerade aus. Dann fasste ich endlich den Entschluss loszuwandern: hinein ins Getümmel.
Bald zog ich mich jedoch in die Berge um Kyoto zurück, um Ruhe zu finden. So kam ich eines Tages an einen Ort mit dem Namen: Shichifukushiandokoro: sieben glückliche Gedanken. Hier sollte der Wanderer Einkehr halten und über seine Zukunft nachdenken. Sechs Wege kreuzen sich und führen sternförmig auseinander. Ich saß auf einer Bank und dachte nach. Immer wieder kamen Wanderer vorbei, manche schlugen zielstrebig einen der Wege ein und gingen bestimmten Schrittes weiter, andere wiederum standen am Kreuzungspunkt und wussten nicht, wohin sie gehen sollten, grübelten nach, beratschlagten und gingen dann schließlich doch weiter. Wieder andere kamen an den Ort, verweilten auf der Bank und wanderten wieder den selben Weg zurück, den sie gekommen waren.
All diese Menschen und die Wege, die sie einschlugen, waren für mich ein Abbild des Lebens. Wir haben viele Möglichkeiten, die Entscheidung liegt alleine bei uns. Jeden Morgen haben wir die Wahl, aus dem Rad der Gewohnheit auszubrechen. Schließlich schlug ich auch einen der sechs Wege ein. Wohin er mich führen wird, bleibt vorerst ungewiss. So ziehe ich quer durch Japan, denke über mein Leben nach und nehme mir viel Zeit, versuche offen zu sein und freue mich immer wieder, wenn es mir gelingt, aus festgefahrenen Denkweisen auszubrechen.
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