Mit Australien ist es so eine Sache. Ich kenne sympathische Leute, die halten es für das schönste Land der Welt und haben ihre Existenz darauf ausgerichtet, das Jahr über hart zu arbeiten, damit sie ein paar Wochen dort an wunderbaren Stränden liegen, sich in weltoffenen Städten umsehen oder durch die flirrende Wüste der Selbsterfahrung ziehen können. Von anderer Stelle kann man hingegen hören, dass der australische Staat die rücksichtsloseste Flüchtlingspolitik betreibt, die sich nur denken lässt. Dagegen sei die unsere, gegen die wir uns zu Recht empören, vergleichsweise harmlos; und wir wissen: harmlos ist auch die unsere keineswegs.
Aber in Australien, in dessen Weiten es so viele Touristen zieht, denen in Europa alles ein bisschen zu eng und zu engstirnig ist, gibt es beispielsweise das Flüchtlingslager Woomera. Dort werden minderjährige Flüchtlinge, die es trotz aller Seeblockladen geschafft haben, von klapprigen Elendsschiffen an australisches Land zu gehen, in völliger Isolation gehalten. Vor zwei Jahren ging die Nachricht durch die darüber nur mäßig erschütterte Welt, dass afghanische Kinder im Wüstencamp in Hungerstreik getreten sind. Was, fragt man sich, muss geschehen, bis Kinder die Nahrungsaufnahme verweigern?
Im Februar hat in Australien die Chinesin Cui Yu Hu zweifache Post erhalten. Im ersten Brief gratulierte ihr der stählerne Präsident Howard zu ihrem 104. Geburtstag. Im zweiten wurde ihr, die vor zehn Jahren illegal ins Land gekommen war, um ihre legal dort lebende Tochter zu besuchen, das Aufenthaltsrecht entzogen. Da aber keine Fluggesellschaft bereit ist, einen hinfälligen Passagier von 104 Jahren an Bord zu nehmen, kann die Frau, die die machtgeschützte Harmonie so schimpflich stört, nicht ausgeflogen werden. Sie darf jetzt bleiben und sterben, wo nach dem Willen von Regierung und weltoffenem Volk jene Kinder, die dem Tod und Verderben zu Hause entronnen sind, nicht leben dürfen.