Vom Kotzen und vom Rittern
Einmal gab es Zeitungen, die trugen ihre Losungen im Titel: „Freiheit“, „Wahrheit“, „Gleichheit“. Von all diesen Begriffen ist die Gleichheit am meisten im Kurs gefallen. Selbst Gruppen, die sich für Arme und Benachteiligte einsetzen, sprechen lieber von sozialer Ausgewogenheit. Chancengleichheit, einst ein vielstrapaziertes Wort, gilt als verrufen. Plötzlich machen sich mittelmäßige BeamtInnen, WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen Sorgen um die Nöte von Hochbegabten, die im Strudel des Durchschnittlichen ertrinken. Überhaupt hat es den Anschein, das Menschsein beginne nicht mit der Geburt, sondern mit dem ersten Erfolgserlebnis, dem wiederum das Meistern einer Herausforderung zugrunde liegt. So stürmt der Zeitgenosse eifrig voran, wie ein Hürdenläufer, und die Schwachen bleiben zurück, und weit vorne winkt das Ziel, der ewige Erfolg, doch leider ist die Laufbahn rund, und es geht immer im Kreis herum.
Ein Tabakkonzern wirbt mit dem Porträt eines Schauspielers. Im Mund die Zigarette, auf der Schulter ein Raubvogel, darunter der Werbespruch: „ ‚Eure Gleichheit kotzt mich an.‘ Steffen Wink.“ Ein Satz wie aus dem Wörterbuch des Unmenschen, verbrämt mit antibürgerlicher Attitüde. Aber nichts ist konventioneller, nichts spießiger als Winks Würgen im Hals. Die Österreichischen Bundesbahnen gingen vor Jahren mit einer Umweltkarte auf Kundenfang: Wer viel Bahn fährt, fährt billiger. Mit der Namensgebung wurde an die kollektive Verantwortung appelliert: Wer die Umwelt schont, denkt in erster Linie nicht an sich, sondern an das allgemeine Wohl, letztlich also an eine Gemeinschaft von Gleichen. Dann kam wohl die Privatisierung, oder ein neuer Werbemaxi machte sich breit, und die Umweltkarte wurde umbenannt, in Vorteilscard. Seither wird um den Egoisten geworben, einen vom Schlag Steffen Wink.
So ein Typ ist auch Wolfgang Schüssel. Dem „Standard“ verriet er während des Wahlkampfs: „Wenn Sie etwas erreichen wollen, im Sport, in der Kultur oder in der Politik, dann müssen Sie um die Spitze rittern, sonst macht es keinen Sinn.“ Eine seltsame Ansicht für einen Kanzler aller ÖsterreicherInnen, und ein resignativer Verzicht auf die einzig vernünftige Utopie: auf gesellschaftliche Verhältnisse hinzuarbeiten, in der jede Spitze abbricht.