Als im Jahr 973 der bedeutendste islamische Gelehrte seiner Epoche, Al-Biruni, in Kath südlich des Aralsees geboren wurde, war das Verhältnis von Erster und Dritter Welt noch deutlich anders gewichtet: In der islamischen Welt standen die Wissenschaften in der höchsten Blüte, während Europa in der nachrömischen Agonie vor sich hindämmerte.
Dass die Erde Kugelform hat, setzte Al-Biruni als selbstverständlich voraus. Die Vermessung dieses Globus stand allerdings aus. Das Hauptproblem dabei war die Erfindung geeigneter Messmethoden. Al-Biruni, aus ärmsten Verhältnissen, aber gemeinsam mit Prinzen erzogen, war in der Lösung solcher Fragestellungen höchst erfinderisch. Schon als 17-Jähriger ermittelte er die geografische Breite Kaths. Für die viel schwieriger zu ermittelnde geografische Länge notierten er in Kath und der Astronom Al-Buzdjani in Bagdad im Jahr 997 die Ortszeit, zu der eine Mondfinsternis eintrat, sie wurde mit einem Abstand von 60 (statt heute gemessener exakter 65) Minuten registriert, das ergab 15° Längenunterschiede zwischen Kath und Bagdad. Ähnlich errechnete er den fast genauen Erdumfang, baute (500 Jahre vor dem Nürnberger „Erdapfel“ Martin Behaims!) einen Erdglobus, trug die errechneten Positionen von Städten ein.
Der Einwand, dass das Wasser der Ozeane von der Erde herabtropfe, falls sie kugelförmig sei, erntete nur seinen Spott, hingegen hielt er Gegenden im hohen Norden, in denen die Sonne nicht untergeht, für empirisch wahrscheinlich.
Al-Biruni war ein genialer Universalgelehrter, der das herrschende aristotelisch-ptolemäische Weltbild in vielem kritisch überwand. Dem Abendland ist er dennoch bis heute fast unbekannt geblieben.
Al-Biruni: In den Gärten der Wissenschaft. Reclam, Leipzig o.J.