Gelmans sephardische Gedichte, geschrieben in einer Zeit der Verfolgung, verweigern sich der Politik und Aktualität, sind strenge poetologische Gedichte, die den Akt des Schreibens, den sprachlichen Schöpfungsvorgang, die Existenz in der Sprache und durch die Sprache feiern.
„Dibaxu. Debajo. Darunter“ ist ein Zyklus von 29 Liebesgedichten, wobei hier nicht nur die Liebe zwischen zwei Menschen, sondern auch das Verhältnis des Menschen zu seiner Sprache, des Autors zum Sephardischen gemeint ist. Im einen wie im anderen Falle ist die unio mystica das Ziel dieser Liebe, die Verschmelzung, die die Grenzen zum geliebten Menschen, zur geliebten Sprache aufhebt. Es ist die von Gelman im Vorwort selbst erwähnte „ternura“, die „Zärtlichkeit“, die sein Bild der Sprache wie der Geliebten bestimmt. Indem sich der einzelne überschreitet, erfährt er die Welt neu, und in der Hingabe wird ihm die Welt zum Geschenk: „was du mir gegeben hast/ ist Sprache die zittert/ in der Hand der Zeit/ offen zum Trinken
Juan Gelman: Dibaxu. Debajo. Darunter. Dreisprachige Ausgabe. Aus dem Spanischen ins Deutsche von Tobias Burghardt. Edition 350 im Verlag der Kooperative Dürnau. Dürnau 1999, 80 Seiten, ca. öS 210,-.
Karl-Markus Gauß, geboren 1954, lebt in Salzburg als Autor und Herausgeber der Zeitschrift „Literatur und Kritik“. Zuletzt erschien von ihm „Der Mann, der ins Gefrierfach wollte“ im Zsolnay-Verlag, Wien.
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