Autobiographischer Roman. Aus dem Spanischen von Reinhard Andress und Egon Schwarz. Picus Verlag, Wien 2008, 259 Seiten, € 22,90
Benno Weiser – im Buch nennt er sich Heinz Bauer – wurde 1913 in Czernowitz geboren; die Kriegswirren verschlugen die Familie nach Wien. In seinen Jugendjahren bereist der Gymnasiast und spätere Medizinstudent ausgiebig seinen Heimatkontinent, von Spanien bis Griechenland, von Norwegen bis zum Schwarzen Meer. Er liebt Europa, er genießt seine Jugend.
Doch in den Märztagen des Jahres 1938 ändert sich alles. Heinz Bauer alias Benno Weiser steht wenige Wochen vor dem Abschluss seines Medizinstudiums, allein der „Anschluss“ macht dies unmöglich. Seither ist sein ganzes Streben auf die Flucht gerichtet. Rundherum der braune Terror. Im November 1938 gelingt es schließlich: Weiser erhält ein Visum für Ecuador.
73 Tage nach seiner Flucht aus Wien beginnt der Flüchtling auf einer fast 3.000 m hoch gelegenen Finca (Landgut), in der Nähe der Äquator-Linie, die Aufzeichnungen über seine Kindheits- und Jugendjahre in Österreich – und zwar in spanischer Sprache. Die lebensrettende Flucht aus Europa empfindet Weiser als persönlichen Verrat seiner Heimat, als Verstoßenwerden. Europa wird zur Vergangenheit: „Ich war Europäer.“
Weisers zionistisches Engagement führt 1948 zur Übersiedlung nach New York, wo er bis 1960 die Lateinamerika-Abteilung der Jewish Agency leitet. 1964 wird er zum ersten Botschafter Israels in der Dominikanischen Republik ernannt, später leitet er die diplomatischen Vertretungen in Jamaika und Paraguay. Sein in dieser Zeit entstandener Essay-Band „Si yo fuera Paraguayo“ wird in dem südamerikanischen Binnenstaat zu einem Bestseller. 1973 lässt sich die Familie Weiser in Massachusetts nieder, ab 1986 – mit 73 Jahren! – unterrichtet er bis 2000 Judaic Studies an der Boston University und lebt auch heute noch in dieser Stadt.
Mehr als 60 Jahre nach dem Entstehen übersetzt Reinhard Andress, mit Unterstützung von Egon Schwarz, der 1939 selbst vor den Nazis nach Lateinamerika flüchtetet, die Aufzeichnungen des Benno Weiser Varon – ein zweiter Nachname, den er in späteren Jahren annahm. In einem Nachwort geht Andress ausführlich auf die Entstehungsgeschichte dieses Buches – einer der ersten Exilromane überhaupt – und auf die spätere Biographie des Autors ein.