Hüterinnen der Tradition

Von Sara Meyer aus Kolumbien · ·
Die Präsentation handgefertigter Outfits, die aus Materialien der Region – wie Schafswolle und heimischen Pflanzen – bestehen
Das Highlight des Wettbewerbs: Die Präsentation handgefertigter Outfits, die aus Materialien der Region – wie Schafswolle und heimischen Pflanzen – bestehen © Sara Meyer

Weder adelig, noch glamourös: Bei der Wahl der „kulturellen Königin“ des Yanacona-Volkes in Kolumbien geht es um Wissen und erlernte Fähigkeiten.

In der Region Cauca im Südwesten Kolumbiens, die oft mit bewaffneten Konflikten und Drogenhandel in Verbindung gebracht wird, herrschte während vier Tagen im August Feierstimmung. 3.000 Gäste aus den umliegenden Dörfern versammelten sich im kleinen Örtchen Sotará, um am jährlichen Fest der Yanacona teilzunehmen. Flöten und Trommeln hallten durch die Berge, begleitet vom Lachen und Feiern der Anwesenden, die teils zu Fuß, mit Motorrädern oder mit den traditionellen, bunt bemalten Chiva-Bussen angereist waren. Für viele das Highlight: die Wahl der kulturellen Königin des Yanacona-Volkes.

Eine andere Wahl
Während im restlichen Land junge Frauen bei Schönheitswettbewerben für ihr Aussehen ausgezeichnet werden, liegt der Fokus der Yanacona auf dem Wissen und der Weitergabe ihrer indigenen Kultur. Der Wettbewerb hat für die Yanacona eine tiefe Bedeutung, die weit über den Titel hinausgeht. Wie der Moderator zu Beginn der diesjährigen 23. Ausgabe erklärte, ist das Ziel der Veranstaltung nicht nur, die fast ausgelöschte Kultur der Yanacona wiederzubeleben. Sie solle die Mädchen auch stolz auf ihre indigene Herkunft machen und die Mütter ermutigen, ihren Töchtern traditionelles Wissen und Können weiterzugeben.

Jedes Jahr vertritt jeweils ein Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren eines der sechs Yanacona-Dörfer und stellt ihr tiefes Verständnis der Geschichte, Traditionen und Bräuche ihres Volkes unter Beweis. Die Teilnehmerinnen werden in Kategorien wie traditionelle Tänze, Geschichte und Handwerkskunst von einer dreiköpfigen Jury bewertet. Besonders wichtig sind die Fähigkeiten Pflanzen zu Gebrauchsgegenständen zu verarbeiten, pflanzliche Medizin herzustellen und traditionelle Gerichte zuzubereiten. Ein Highlight des Wettbewerbs ist die Präsentation handgefertigter Outfits, die aus Materialien der Region – wie Schafswolle und heimischen Pflanzen – bestehen. Diese werden präsentiert und die Mädchen erklären, wie sie hergestellt wurden. Am Ende des Tages müssen alle Kandidatinnen eine Frage über eines der anderen Dörfer beantworten.

Kulturelles Erbe bewahren
Eine der Teilnehmerinnen aus dem Jahr 2023 erklärte: „Durch die Vorbereitung habe ich viel über meine Wurzeln gelernt. Ich bin jetzt selbstbewusster, weil ich mich als indigene Frau mit meiner Geschichte und meinen Fähigkeiten identifiziere.“ Jede Teilnehmerin wird von einem Begleiter unterstützt, der auch ihr Tanzpartner ist und einspringt, sollte sie einmal nicht weiter wissen. „Wir spielen hier nur eine Nebenrolle, das Wichtigste sind die Königinnen“, erklärt einer der Begleiter bescheiden.

Beim Wettbewerb steht der kollektive Gedanke im Vordergrund. So bekommt das Dorf der Gewinnerin 10 Millionen Pesos (ca. 2.200 Euro). Der Stolz, den die Gemeinschaft durch den Sieg erhält, erscheint von noch größerer Bedeutung zu sein. Es ist der Gemeinschaftsgeist, der bei den Yanacona so ausgeprägt ist – alle Errungenschaften werden auch im Kollektiv gefeiert.Auch die Vize-Tourismusministerin Kolumbiens war beim Wettbewerb anwesend. Er ist der einzige seiner Art im Land und versteht sich als Widerstand gegen den Verlust der indigenen Kultur.

Sara Meyer hat Recht, Internationale Beziehungen und Regionalstudien Lateinamerika in Deutschland und Kolumbien studiert, wo sie heute lebt. Sie schreibt u. a. für Amerika 21 und die Junge Welt über Menschenrechtsthemen, Feminismus und aktuelle politische Entwicklungen in Kolumbien, Paraguay und Mexiko.

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