Hong Ying: Der Pfau weint

Von Michael Schwarz · · 2006/05

Aus dem Chinesischen von Karin Hasselblatt. Aufbau-Verlag, Berlin 2005, 247 Seiten, € 18,90

Liu Cui ist eine gut aussehende, knapp vierzigjährige, moderne Frau. Sie arbeitet nach einem Studienaufenthalt in Amerika als Forscherin in einem Gentech-Labor in Peking. Mit ihrem Mann Li Lusheng zusammen lebt sie eine Ehe auf Distanz, da er als Direktor des Bauunternehmens am Drei-Schluchten-Staudamm engagiert ist. Sie sieht ihn nur gelegentlich, wenn er jeweils kurz nach Peking zurückkommt. Doch als ihr Mann ihr ein ausgefallenes Parfüm überbringen lässt, will Liu Cui der Wahrheit auf die Spur kommen und reist kurzerhand an die Staudamm-Baustelle in den Kreis Liang, wo auch ihr Geburtsort liegt. Hier entdeckt sie viel mehr, als sie eigentlich sucht. Ihr Mann scheint in einen politischen Skandal verwickelt zu sein, der darin gipfelt, dass die Bevölkerung die versprochenen Entschädigungen für die bevorstehende Umsiedlung nicht ausbezahlt erhält.
Liu Cui trifft anlässlich ihres Aufenthalts eine alte Tante und erfährt von ihr viel über das Leben während der Kulturrevolution. So muss sie auch das Bild ihres Vaters revidieren, der als Präfekt Menschen umgebracht hat, genau zu der Zeit, als sie zur Welt kam. Rückblicke in eine bedrückende Vergangenheit und Ausblicke auf eine nicht gerade hoffnungsvolle Zukunft, wo vieles im Wasser untergehen wird, all das bringt die ganz und gar westlich orientierte Liu Cui völlig durcheinander. Sie gerät in bedrohliche Wirren.
Hong Ying lebt heute in England, wohin sie 1998 wegen Repression und Zensur übersiedelt ist. Sie schreibt dennoch in chinesischer Sprache und konnte erstaunlicherweise die hier vorliegende Veröffentlichung ursprünglich in Peking erscheinen lassen. In einem Epilog wird ersichtlich, dass einzelne Motive ihrer Erzählung aus einer alten Quelle stammen, die in eine moderne Geschichte übertragen wurden.
Die Autorin hat nach zwei eher erotischen Romanen ein Buch geschrieben, das eine moderne Frau im Zwiespalt zeigt, die mit bewundernswerter Standfestigkeit sich nicht erdrücken lässt. Das wird zum Teil mit wunderbaren sprachlichen Bildern beschrieben. „Der Pfau weint“ ist aber auch ein politisches Buch, das die Fragwürdigkeit des zum Weltwunder hochstilisierten Staudamm-Projekts für die ortsansässige Bevölkerung zeigt und das eine Gesellschaft in China vorführt, die auseinander zu brechen droht.

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