Die OECD lädt in Accra zur großen Bestandsaufnahme, am Prüfstein steht die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe. Nicht nur mehr, sondern bessere Hilfe ist nötig, so die Pariser Erklärung. Auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind beteiligt und haben ihrerseits eine globale Initiative gestartet, Kriterien für die Effizienz zu erarbeiten.
Die entwicklungspolitische Welt trifft sich auf Einladung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und ihrer Gremien vom 2. bis 4. September in Accra, Ghana. Anlass ist die Bestandsaufnahme zum Fortschritt der Pariser Erklärung über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit. Über 100 VertreterInnen von Regierungen, multilateralen Entwicklungsorganisationen und Entwicklungsbanken haben diese 2005 unterzeichnet und damit ihre Entschlossenheit wie folgt erklärt: „Wir sind uns darüber im Klaren, …, dass für die Erreichung [der MDG-Ziele] einerseits eine volumenmäßige Erhöhung der ODA Leistungen … erforderlich [ist], andererseits aber auch die Wirksamkeit dieser Leistungen signifikant gesteigert werden muss.“ Im Kern heißt das: Nicht nur mehr an Hilfe ist nötig, sondern bessere.
Mit der Pariser Erklärung wurde ein wichtiger Prozess gestartet, EZA-Mittel effizienter zu nutzen. Sie enthält 54 relativ genau definierte Partnerschaftsverpflichtungen. Zwölf davon sind zu Indikatoren mit konkreten Zielvorgaben erhoben worden, anhand derer die Fortschritte nun in Accra überprüft werden. Verpflichtungen und Indikatoren wurden um fünf Prinzipien gruppiert: „Eigenverantwortung“ (Ownership), „Anpassung an die Systeme der Partner“, „Harmonisierung“, „Ergebnisorientiertes Management“ und schließlich die „beiderseitige Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht“.
Werden die gesetzten Ziele eingehalten, würden damit enorm viele Doppelgleisigkeiten abgeschafft und die Regierungen in den Entwicklungsländern in ihrer Bedeutung gestärkt werden. Die „GeberInnen“ verpflichten sich unter anderem, Lieferbindungen nach und nach aufzuheben („Untying of aid“), Hilfsgelder für die Partnerländer vorhersehbarer zu machen (d.h. wie geplant zu überweisen) und sie in deren Verwaltungsstrukturen und Entwicklungspläne einzugliedern. Wie dringend der Handlungsbedarf ist, zeigt die erste Bestandsaufnahme, die 2006 in 34 Entwicklungsländern durchgeführt wurde: Es wurden 1.832 (!) parallel zu nationalen Verwaltungen aufgebaute Projektstrukturen gezählt. Laut Pariser Erklärung sind diese bis 2010 um zwei Drittel zu verringern.
Die Pariser Erklärung macht Sinn. Doch sie kann nur ein erster Schritt sein, meint die organisierte Zivilgesellschaft. Der Prozess zeichnet sich durch relativ hohe Transparenz aus. So wurden NGOs in die Vorbereitung zu Accra einbezogen und nehmen mit 80 registrierten VertreterInnen am offiziellen Gipfel teil.
Von vielen der UnterzeichnerInnen werden sie sogar subtil oder offen unter Druck gesetzt, die Erklärung ebenfalls zu unterschreiben und ihre eigene Wirksamkeit unter Beweis zu stellen.
Der Druck zeigt Wirkung: Die NGOs haben sich in einer globalen Initiative zusammen geschlossen, um die Überprüfung ihrer eigenen Effizienz anzugehen. Die Pariser Erklärung wollen sie aber aus zwei Gründen nicht unterzeichnen: Erstens empfinden sie sie nicht als anwendbar auf sich selbst. Global Players unter den NGOs wie die Organisation Oxfam müssen sich für diese Haltung Kritik gefallen lassen, sind sie doch größere GeberInnen als einige der offiziellen Geberländer. Zweitens ist den NGOs der Ansatz der Erklärung zu eng gefasst, in der es primär um eine effizientere Verwendung der Gelder geht. Sie beurteilen einige Indikatoren als nicht zureichend für die Messung der Prinzipien. Zum Beispiel ist beim Prinzip Ownership vorgesehen, dass bis 2010 mindestens 75 Prozent der Entwicklungsländer über nationale, mittelfristig finanziell abgesicherte Entwicklungsstrategien verfügen. Nicht überprüft wird aber, ob die Parlamente in der dafür notwendigen Weise einbezogen und die Bedürfnisse der armen Bevölkerung ausreichend berücksichtig wurden, was – so die NGOs – für eine echte demokratische Eigenverantwortung unverzichtbar sei. Viele kritische Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit wie Armutsbekämpfung, Gendergerechtigkeit, Demokratie, Menschen- und soziale Rechte seien überhaupt außer Acht gelassen.
Die NGOs plädieren dafür, nicht nur einzelne Maßnahmen zu betrachten, sondern den Effekt aller Aktivitäten auf das soziale, politische und wirtschaftliche Leben einer Gesellschaft und seiner Menschen zu untersuchen. Zulässig für eine Messung wäre demnach die Frage: Wie viele Menschen in den betreffenden Ländern konnten aufgrund der diversen Hilfeleistungen ihre Ausbildung, Ernährung und Gesundheit verbessern?
Bis 2010 will die Initiative ein tragfähiges Dokument für die Zivilgesellschaft entwickeln, das Prinzipien für die Wirksamkeit der NGOs als EntwicklungsakteurInnen enthält. Die Beteiligten hoffen, dass auf der Basis ihrer Arbeit ein weiterer Prozess gestartet wird, der ein Nachfolgepapier für die Pariser Erklärung im Jahr 2011 auf die Schiene bringt. Dieses soll Indikatoren enthalten, nach denen die Wirksamkeit von Entwicklung in ihrer Gesamtheit gemessen werden kann. Die Herausforderungen sind immens. Das große Ziel wäre ein Abkommen, das von allen entwicklungspolitischen AkteurInnen, d.h. von Partner- und Geberländern, von multilateralen Institutionen und Entwicklungsbanken sowie den zivilgesellschaftlichen AkteurInnen in Nord und Süd unterzeichnet würde. Gelänge dann noch die Anhebung auf den Level der Vereinten Nationen, müssten auch neue GeberInnen wie China mit am selben Strang ziehen. Der gegenseitige Fingerzeig würde damit in Zukunft deutlich schwerer.
Claudia Bonk ist Mitarbeiterin bei Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe, dem neu gegründeten österreichischen NGO-Dachverband.