Sinkende staatliche Mittel und steigende private Kapitalflüsse lassen Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft auch in der Entwicklungszusammenarbeit immer attraktiver erscheinen. Eine kritischere Auseinandersetzung mit diesem verlockenden Ansatz in der Entwicklungsfinanzierung fordert Karin Küblböck.
Nach vier Jahrzehnten macht sich in der Entwicklungspolitik Resignation breit. Das Bestreben, Armut, Ungleichheit und Umweltzerstörung zu minimieren, konnte nicht verwirklicht werden. Statt mehr Mittel bereitzustellen, kam es in fast allen OECD-Ländern in den 1990er Jahren zu Kürzungen. Die ausländischen Direktinvestitionen in Entwicklungsländer verachtfachten sich hingegen zwischen 1990 und 1999. Was liegt also näher, als in den privaten Kapitalflüssen den neuen Hoffnungsträger für Armutsminderung und Umweltschutz zu sehen?
Die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul meint dazu: „Wir wollen aktiv den Bewusstseinswandel in den Unternehmen in Bezug auf ihre ökologische und soziale Verantwortung beschleunigen. Die Vision ist, dass der Staat und die private Wirtschaft gemeinsam an einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Zukunft arbeiten.“
Diese Vision soll nun durch das Instrument der so genannten PPPs (Public Private Partnerships) Wirklichkeit werden. Basis ist die Annahme, dass Unternehmen freiwillig soziale Verantwortung wahrnehmen und dass die gemeinsamen Projekte jedenfalls „Win-Win“-Situationen darstellen, d.h. von beiderseitigem Nutzen sind.
Private Unternehmen setzen seit jeher Projekte der Entwicklungspolitik um, sie errichten Kraftwerke, Schulen, sind als Berater in verschiedensten Bereichen tätig. Im Unterschied zu den bisherigen Formen der Zusammenarbeit geht es aber bei PPPs nicht um Firmen als Auftragnehmer des Staates, sondern um Investitionsvorhaben privater Unternehmen, die gleichzeitig auch Zielen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) dienen sollen. Die Firmen sollen also ein Eigeninteresse am langfristigen Erfolg des Projektes haben und nicht nur an den kurzfristigen Einnahmen aus dem öffentlichen Auftrag.
PPPs finden sowohl in der multilateralen als auch in der bilateralen EZA ihre Anwendung. Beispiele für die neuen Formen öffentlich-privater Zusammenarbeit auf multilateraler Ebene sind „Globale Allianzen“ zwischen UN-Organisationen und Transnationalen Unternehmen. Die Hälfte des Budgets der Weltgesundheitsorganisation stammt mittlerweile aus Geldern von Industrie und Stiftungen. 75% oder 750 Millionen US-Dollar des Budgets der „Globalen Allianz für Impfstoffe und Immunisierung“ (GAVI) kommen von der Bill and Melinda Gates-Stiftung, die auch einen ständigen Sitz im Aufsichtsrat hat, in dem neben VertreterInnen von Industrie- und Entwicklungsländern auch VertreterInnen der Pharmazeutischen Industrie sitzen. GesundheitsexpertInnen warnen, dass diese neuen Initiativen massiv Einfluss auf nationale Gesundheitspolitiken nehmen und im Interesse der Industrie vor allem den Einsatz von Medikamenten fördern, jedoch kaum Gesundheitsdienstleistungen und strukturelle Maßnahmen unterstützen.
In der bilateralen EZA werden ebenfalls – in weitaus kleineren Dimensionen – zunehmend PPP-Finanzierungsinstrumente entwickelt. In Deutschland oder der Schweiz gibt es bereits seit einigen Jahren PPP-Projekte in der EZA. In Österreich ist nach der Gründung der Austrian Development Agency (ADA) die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft ein neuer Schwerpunkt. Die EZA-Verwaltung erhofft sich dadurch vermehrte Investitionen österreichischer Unternehmen in Entwicklungsländern und damit verbunden eine Wachstums- und Beschäftigungssteigerung sowie einen Lenkungseffekt von Investitionen in entwicklungspolitisch sinnvolle Projekte.
Die Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass die Zusammenarbeit mit Unternehmen positive Effekte haben kann, dass jedoch auch eine Reihe von Fragen gelöst werden muss:
Die Konzentration der EZA auf besonders arme Länder und besonders bedürftige – nicht zahlungskräftige – Zielgruppen widerspricht kommerziellen Interessen. PPPs können daher zu einer Aufweichung der Armutsorientierung in Richtung wohlhabendere Zielgruppen in Schwellenländern führen. Die Verwendung von EZA-Geldern für PPPs ist nur dann sinnvoll, wenn dadurch zusätzliche private Mittel für entwicklungspolitische Anliegen aufgebracht werden, es also zu keinem Mitnahmeeffekt kommt. Dies ist im Einzelfall allerdings schwer zu überprüfen.
In den Bereichen Infrastruktur und soziale Dienstleistungen können PPPs zur Privatisierung lukrativer Projekte mit Hilfe von EZA-Mitteln führen, während die verlustbringenden Bereiche Aufgaben der öffentlichen Hand bleiben.
Es besteht ein immanenter Widerspruch bei PPP: Je strenger die entwicklungspolitischen Kriterien, also je ärmer die Zielgruppe, je demokratischer die Entscheidungsprozesse, je strenger die Umweltauflagen, desto weniger interessant ist die Investition für ein Unternehmen.
Die Ergänzung knapper werdender öffentlicher Gelder durch private Mittel kann sinnvoll sein. Bei der politischen Prioritätensetzung muss jedoch das öffentliche Interesse im Mittelpunkt stehen. Das Risiko bei PPPs auf globaler und nationaler Ebene ist, dass sich die Politik den Prioritäten der Unternehmen anpasst und nicht umgekehrt. Die EZA benötigt Visionen, aber auch mehr kritische Reflexion darüber, wo Zusammenarbeit zwischen staatlichen und kommerziellen Akteuren das Erreichen von entwicklungspolitischen Zielen fördert und wo nicht.
Die ÖFSE führte Mitte Juni einen Studientag zum Thema „Privatisierung und Entwicklungspolitik“ durch. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Oktober in gedruckter Form und online erscheinen: www.oefse.at.
www.oefse.at
Karin Küblböck ist Ökonomin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Österreichischen Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe (ÖFSE) im Bereich Internationale Wirtschaft.