ťHaltung zeigen!Ť

Von Irmgard Kirchner · · 2001/06

Der beliebte Schauspieler Harald Krassnitzer engagiert sich gegen Rassismus und für afrikanische Entwicklungsprojekte. Mit ihm sprach SÜDWIND-Redakteurin

Das österreichische Fernsehpublikum kennt ihn als Serienstar ”Bergdoktor“
oder als Kommissar der Krimi-Reihe Tatort. Weit weniger bekannt ist Harald
Krassnitzers Arbeit für die Initiative ”Land der Menschen“, die sich
für ein besseres Miteinander zwischen ÖsterreicherInnen und MigrantInnen
einsetzt, sowie für die österreichische Sektion von AMREF, den
sogenannten ”Flying Doctors“.

SÜDWIND: Mit ”Land der Menschen“ besuchen Sie zum Beispiel Seniorenheime
in Wien, um dort übers Zusammenleben mit Ausländern zu diskutieren.
Was sind dabei Ihre überraschendsten Einsichten?


KRASSNITZER: Wir machen sehr spannende und auch lustige Erfahrungen.
Die älteren Herrschaften erzählen, welche Schwierigkeiten sie
selbst gehabt haben – mit ihren Eltern, die aus Tschechien gekommen sind,
und mit den Integrationsproblemen damals in Österreich. Damals gab
es schnell eine große Solidarität, weil alle Leute arm waren
und man sich einfach gegenseitig geholfen hat. Das ist etwas, das sie heute
sehr vermissen.

Zum größten Teil geht es immer wieder um ganz normale, soziale,
nachbarschaftliche Probleme: Ängste, dass etwa Lebensräume eingeengt
werden. Die gibt es, weil die Leute nicht mehr miteinander reden. In den
wenigsten Fällen handelt es sich um echte Ausländerfeindlichkeit.
Wir stellen oft fest, dass die Leute das Vokabular der FPÖ übernommen
haben und auch auf einem sehr schlechten Informationsstand sind: wenn etwa
geglaubt wird, dass Migranten, wenn sie um das Asylrecht bitten, gleich
eine Wohnung oder Arbeitslosengeld bekommen. Wir versuchen zum Teil auch,
etwas aufklärerisch unterwegs zu sein. Die Leute sind dann bass erstaunt,
dass diese hahnebüchernen Argumente hinten und vorne nicht stimmen.

Reden hilft da?

Reden hilft auf jeden Fall. Wir machen immer wieder diese Erfahrung,
vor allem, wenn wir Migranten mitnehmen, die aus ihrer Position ihre Geschichte
erzählen. Sofort stellen sich Solidarität, Verständnis und
Aha-Erlebnisse ein.

Wie lässt sich dieses zeitintensive Engagement mit Ihrer Arbeit
als Schauspieler vereinbaren?


Da opfere ich halt einmal eine Woche – opfern klingt blöd. Dann
ist mir die Sache so viel wert, dass ich mir sage, ich muss jetzt einmal
eine Woche etwas dafür tun.

Wie schätzen Sie die Gesprächsbereitschaft ein? Was wäre,
wenn Sie nicht so prominent wären?


Meine Prominenz ist manchmal sogar hinderlich, weil die Leute dann
eher denken, jetzt können wir einmal mit dem reden.

Finden Sie, dass jemand, der eine Stellung in der Gesellschaft hat
wie Sie, moralisch dazu verpflichtet ist, sich für soziale Belange
einzusetzen?


Ich kann nur für mich sprechen. Ich fühle mich schon dazu
verpflichtet. Das hat mit meiner Geschichte zu tun, weil ich das, was ich
tue, in einer bestimmten Form auch bewerte. Ich erachte es auch als großen
Glücksfall, dass ich Schauspieler sein darf, dass ich einen privilegierten
und sehr schönen Beruf habe, dass ich mitunter auch viel Geld verdienen
kann und auch verdiene. Ich habe schon das Gefühl, dass ich Dinge
teilen muss oder mich solidarisch erklären muss mit Schwächeren
oder mit Leuten, denen es halt nicht so gut geht.

Zum anderen weiß ich, dass ich eine gewisse gesellschaftliche
Position habe. Gerade in einer Zeit wie jetzt, wo wie noch nie seit Bestehen
der Zweiten Republik Keile zwischen die Österreicher getrieben werden,
wo so massive Revanchismen laufen, die mit ganz alten historischen Zusammenhängen
zu tun haben, wo solche Spaltungen in der Bevölkerung stattfinden,
die tief emotional sind: gerade da Wnde ich es unglaublich wichtig, dass
man integrativ wirkt und sich zu bestimmten Werten bekennt – auch wenn
einem das nicht immer positiven Zuspruch bringt.

Ich bekomme manchmal Drohbriefe und auf der Straße immer wieder
mal das eine oder andere dumme Wort zugeschoben. Damit muss man leben.
Es ist trotzdem für mich notwendig, dass ich das tue. Es sollten noch
viel mehr von uns aufstehen und ihre Haltung zeigen, sich nicht einschüchtern
lassen und einfach den Mut haben, zu diesen Grunddingen zu stehen.

Warum engagieren Sie sich gerade bei der Initiative ”Land der Menschen“,
was spricht Sie dabei besonders an?


”Land der Menschen“ ist deswegen so faszinierend, weil die so offene
Strukturen haben, überparteilich sind und es auf ganz eloquente, sehr
direkte Art schaffen, Leute zum Reden zu bringen. Es wird den Menschen,
die in dieser Problematik drinnen stecken, auch die Möglichkeit gegeben,
ihre Emotionen einmal rauszulassen. Oft merkt man nach einer Stunde Gespräch,
dass einfach nur dieses Ventil gefehlt hat, das alles einmal loszuwerden,
ohne dass man in die Ecke des Ausländerfeinds oder des Rechtsradikalen
gestellt wird. Ab diesem Zeitpunkt fangen die Leute an, auf eine klare
ruhige Art, Probleme zu erkennen und auch miteinander zu lösen.

Wo liegen die Wurzeln Ihrer Motivation?

Ich bin einfach froh, dass es ”Land der Menschen“ gibt und dass man
da mitarbeiten kann. Gerade in einer Zeit, in der eine Partei permanent
ihre Klientel fängt, indem sie desinformiert, verhetzt oder spaltet,
ist es wichtig, dass man dem aufklärerisch entgegentritt. Zum anderen
muss auch wahrgenommen werden, dass es in diesem Bereich natürlich
Probleme gibt – soziale und nachbarschaftliche –, die man nur wahrnehmen
und vor allem ernst nehmen muss.

Sehen Sie die Hauptverantwortung für Ausländerfeindlichkeit
und Rassismus in Österreich bei der Politik?


Zu einem Großteil ja. Zum einen liegt ein Teil der Schuld sicherlich
darin, dass verabsäumt wurde, eine besser strukturierte Integrationspolitik
zu machen. Es gilt, eine gewisse Toleranz zu schaffen für andere Kulturen
– und sie auch zum Teil als eine Form der Bereicherung zu sehen und nicht
immer als eine Form der Bedrohung. Es kann ja gerade auch für die
österreichische Kultur etwas unglaublich Bereicherndes sein, wenn
wir uns mit anderen Kulturen reiben und Impulse davon aufnehmen oder wahrnehmen.

Sind Sie für offene Grenzen?

Ich halte offene Grenzen für eine realpolitisch völlig überzogene
Forderung. Das ist auch wirtschaftlich und in allen Bereichen nicht machbar.
Ich bin schon für einen kontrollierten Zuzug; in dem Sinne, dass man
ihn regelt und dass man versucht, die Leute, die kommen, gut und möglichst
positiv aufzunehmen und ihnen auch die dementsprechende Hilfestellung zu
geben.

Beschäftigen Sie sich auch mit der NordSüd-Problematik?

Das mache ich schon seit sechs Jahren. So lange bin ich schon bei AMREF
Vorstandsmitglied. Ich versuche, jedes Jahr meinen Anteil einzubringen
und etwa eine bis eineinhalb Millionen Schilling im Jahr dafür aufzutreiben.
AMREF arbeitet vor allem in Ostafrika. Und dort haben wir auch sensationelle
Erfolge, weil wir eine afrikanische Organisation sind. Afrikaner setzen
ihre Ideen um und bringen ihre Kreativität ein. Die Europäer
und die Amerikaner versuchen, diese Kreativität mit Wnanziellen Mitteln
zu stützen. Ich bin für das, was ich da gelernt habe, sehr dankbar.
Mir ist bewusst, dass das, was ich runter gebracht habe, im Verhältnis
zu dem, was ich gelernt habe, immer noch sehr minimal ist. Wenn man sich
die Energie ansieht, die in diesen Ländern vorherrscht, auch Energie
von Hoffnung oder Zukunftsträchtigkeit oder Möglichkeiten …

Sie haben gesagt, Sie haben viel gelernt von Afrika.

In erster Linie, dass die Afrikaner in Generationen und nicht in kurzen
Intervallen denken, dass sie über lange, lange Zeiträume nachdenken.
Diese Form des Denkens fasziniert mich und zeugt von einer hohen Verantwortlichkeit,
die ich hier total vermisse. Die Art, mit Schicksal, mit Lebensumständen
umzugehen, sie kreativ zu nützen und zu verbessern, das ist etwas,
was mich auch unglaublich beeindruckt.

Warum engagieren Sie sich gerade bei AMREF?

Auch, weil es eine afrikanische Organisation ist, die nicht aus europäischem
humanistischem Impuls heraus entstanden ist. Die Form des Humanismus, die
in Europa vorherrscht, ist immer auch mit der Punze des Mitleids geprägt
und erscheint mir nicht immer sehr effektiv. Alle europäischen Projekte,
die ich in Ostafrika beobachtet habe, inklusive der UNO-Projekte, haben
alle nicht wirklich funktioniert. Man muss als Europäer diese Präpotenz
verlieren, dass wir den Stein der Weisen oder den Stein der Demokratie
gefunden hätten. Bei uns sind es noch keine 50 Jahre, dass wir in
Europa Demokratie haben. Da müsste man auch den Afrikanern ihre Zeit
geben, um auf ihre Form der Politik zu kommen, die durchaus unterschiedlich
ist zu unserem Weg.

 

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