Zur Halbzeit der Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) hört man mit gemischten Gefühlen von gemischten Ergebnissen.
Zur Erinnerung: Zur Jahrtausendwende verpflichtete sich die internationale Staatengemeinschaft zum, wie es gerne bezeichnet wird, „ehrgeizigsten Entwicklungsvorhaben aller Zeiten“. Mit acht Zielen und 18 Zielvorgaben, die die einzelnen Mitgliedsländer in Angriff nehmen, soll der Anteil der Menschen, die in absoluter Armut leben, bis zum Jahr 2015 halbiert werden. Die Ziele reichen von der Beseitigung extremer Armut und Hunger über Grundschulbildung für alle Kinder und die Aids-Bekämpfung bis zum Aufbau einer globalen Partnerschaft im Dienste der Entwicklung.
Noch nie wurde in puncto Entwicklung so viel von so vielen versprochen. Folglich kommt in der Entwicklungspolitik niemand an den MDGs vorbei, sei es bei der Planung neuer Projekte und Strategien oder der Kommunikation mit der breiten Öffentlichkeit und der Politik, die mit den MDGs in die Pflicht genommen werden kann.
Zur Halbzeit am 7.7.2007 will allerdings keine so rechte Freude aufkommen. Das liegt zum einen daran, dass die Halbzeit-Bilanz nicht gut aussieht, im Süden wie im Norden; dass vor allem in Subsahara-Afrika viele Länder voraussichtlich nicht einmal eines der Ziele erreichen werden, dass insgesamt 2005/2006 die öffentliche Entwicklungshilfe in der EU zurückgegangen ist; dass die reichen Staaten weit hinter ihren Versprechungen bleiben. Vor allem der Entwicklung in China ist es zu verdanken, dass die Zahl der extrem Armen mit einem Einkommen von weniger als einem Dollar pro Tag zwischen 1990 und 2004 um ein Viertel gesunken ist. In Afrika steigt sie hingegen an.
Wir können die MDGs schönreden, indem die partiell tatsächlich vorhandenen Fortschritte betont werden. Oder wir können – als gute PessimistInnen – uns ausmalen, wie die Nichterreichung der MDGs die Glaubwürdigkeit der Entwicklungspolitik im Großen und Ganzen untergräbt.
Die voraussehbare reflexartige Reaktion ist, wie zur Halbzeit im Fußball, energisch größere und raschere Anstrengungen der so genannten Geberländer (Österreich eingeschlossen) zu fordern.
Doch das große Unbehagen bleibt. Jeder Manager, der mit einem verpflichtenden Ziel so umgeht wie die Politik mit den MDGs, wäre in der Privatwirtschaft seinen Job schnell los. Denn dort pflegt man schon aus rein ökonomischen Gründen einen realistischeren Umgang mit Zielen. Sonst lernt die Politik erklärtermaßen doch so gerne von der Wirtschaft, warum nicht hier? Welche Ziele können um welchen Preis mit welchen Mitteln erreicht werden?
Wie viel ist uns als Gemeinwesen die Erreichung der Ziele wirklich wert? Es ist Sache der Zivilgesellschaft, einen ehrlichen öffentlichen Dialog rund um die MDGs zu initiieren und sie mit Kritik und Selbstreflexion zu begleiten. Die Frage zu stellen, warum und unter welchen Bedingungen die Ziele nicht erreichbar sind. Auch Scheitern bietet eine – sogar besonders gute – Möglichkeit, dazu zu lernen. Falls Lernen überhaupt erwünscht ist.