Roman. Aus dem Arabischen von Regina Karachouli. Lenos Verlag Basel, 2006, 219 Seiten, euro 20,50
Außerhalb des Dorfes neben dem Weg zum Friedhof steht ein alter Olivenbaum. Unter diesem Baum treffen sich jeden Nachmittag vier alte Männer: Burni, der Sohn eines angesehenen Haschischinspektors, der immer eine goldene Uhr trägt und den andern sagen kann, welche Zeit es ist; sein Schwager Machmud, der von Hustenanfällen geplagt wird, weil er Tuberkulose hat; Tajjib, der gerne Streit und Auseinandersetzungen sucht; und der einfache Makki, der mit seinen naiven Fragen selbst Burni in Verlegenheit bringt. Alle sind sie um die achtzig Jahre alt und kennen sich von Kindheit an. Unter den tief herabhängenden Baumästen können sie sich ungestört und unbeobachtet erzählen, was sie bewegt – oder sie schweigen stundenlang und gehen ihren eigenen Gedanken nach, bis es Zeit wird, dass jeder seinen Wasserkrug hervor nimmt, sich reinigt und auf seinem Gebetsteppich im Sand das gemeinsame Gebet verrichtet. Erst nach Sonnenuntergang kehren sie ins Dorf zurück.
Habib Selmi ist ein kleines Juwel von einem Roman gelungen, das einfühlsam die Welt arabischer Männer und des Alters nachzeichnet. Poetisch sehr dicht sind die Passagen, wo die alten Freunde sich ihren Tod vorstellen oder ihre Umwelt sehen, als wären sie schon gestorben. Denn sie wissen: „Die Lebenszeit liegt in Gottes Hand.“ Dass Liebe, Sehnsucht und Eifersucht auch im Alter nicht erlöschen, zeigen die Emotionen, die jedes Mal hochgehen, wenn wieder eine neue Nachricht über die Witwe Bajja unter dem Ölbaum eintrifft.
Besonders hervorzuheben sind die vielen symbolischen Bilder, die das Leben widerspiegeln und die Lektüre des Buches auch in anderen Kulturkreisen bereichern, weil darin tiefe allgemein menschliche Themen angesprochen sind.