Gute Ideen, aber leere Kassen

Von Dagny Skarwan · · 2000/01

Mehrere im Süden tätige Nicht-Regierungsorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit haben umfassende neue Projektstrategien ausgearbeitet – doch die neuen „Realperspektiven“ des Staates machen deren Umsetzung unmöglich. Ein Beispiel aus der Praxis aus M

Wir waren richtig stolz auf unsere Leistung. Ende Mai des Vorjahres hatten wir unser neues Guatemalakonzept fertig! Die von der Regionalstelle des Außenministeriums gesetzte Frist zur Vorlage der neuen Planungen 2000 konnte somit eingehalten werden.

Gemeinsam mit alten und neuen Partnerorganisationen hat das kleine Zweifrauenteam des Regionalbüros des Instituts für Internationale Zusammenarbeit (IIZ) in Guatemala neue Schwerpunkte gesetzt. Nicht nur inhaltlich wurden die Projekte aufgemöbelt und an die veränderten Rahmenbedingungen des zentralamerikanischen Landes angepasst. Nach zehn Jahren Erfahrung des IIZ in der Arbeit mit NGOs in Guatemala wollten wir ein neues Qualitätsverständnis der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) signalisieren und einleiten.

Nach intensiver Vorbereitungs- und Aufbauarbeit für den Neustart ab 2000 harrten wir zum Jahresende den aus Österreich kommenden Nachrichten. Und es sollten völlig überraschende und schlimme Nachrichten werden.

Vorbereitungen für 2000? Studien? Orientierungsseminare mit ihren Partnerorganisationen? Neue Konsulenten für die IIZ-Beratungsarbeit? Neue Beratungslinien? Neue Projekte? Neue Projektpartner? Ein eigenes Genderprojekt? „Wunderbar ihre Pläne. Ihr neues Konzept hat uns gut gefallen – aber die Umsetzung wird wohl leider nicht möglich sein, Frau Skarwan.“ Ohne große Worte wischte Hans-Georg Danninger, Leiter des staatlichen Regionalbüros für Entwicklungszusammenarbeit in Managua, die Resultate unserer monatelangen Arbeit vom Tisch. Die schlechte Nachricht war weit schlechter als befürchtet: Auf Grund der Sparmaßnahmen des Finanzministers werden wohl 100 Millionen bereits 1999 eingegangener Verflichtungen nicht mehr ausbezahlt werden. Die neuen Planungen für 2000 stehen da sozusagen Schlange in der dürftigen Vergabelinie. Da es kein bewilligtes EZA-Budget gibt, gibt es auch keine neuen Projekte.

Und noch mehr Realvorschau auf 2000 wurde uns vorgetragen: Wenn es eine neue Regierung geben wird in Österreich, dann ist frühestens Mitte des Jahres mit neuen Mitteln zu rechnen. Verpflichtungen mit alten Projektpartnern können weitergeführt werden, zunächst wäre aber tunlichst zu versuchen, so weit wie möglich in den ersten Monaten von 2000 noch vom Vorjahresbudget zu zehren.

„Und die neuen Projekte fangen Sie halt erst gar nicht an. Es sind keine neuen Verflichtungen einzugehen“, stellte Danninger die neuen Richtlinien aus Wien vor. Das Großprojekt XELAGUA – mit den Ziel der Verbesserung der Wasserversorgung im ländlichen Bereich von Quetzaltenango, der zweitgrößten Stadt des Landes -, darf noch nach Plan weiterarbeiten, mögliche Kürzungen werden erst in der nächsten Projektphase spürbar werden.

Seit einigen Jahren fördert die staatliche österreichische Entwicklungszusammenarbeit die Berücksichtigung und Einarbeitung von Genderperspektiven in die Projekte und hat eigene „Genderkriterien“ formuliert. Für uns zwei Frauen im Regionalbüro in Guatemala ist diese offizielle Ermunterung ein besonderer Anreiz.

Nachdem das IIZ und seine Partnerorganisationen jahrelang relativ „genderblind“ gearbeitet haben, wurde ab Ende 98 mit der Erarbeitung von Genderstrategien begonnen.

Die Auseinandersetzung mit dem existierenden Machtgefälle zwischen Männern und Frauen ist unvermeidlich, wenn auch keineswegs einfach. Plötzlich werden jahrelang geübte Mechanismen brüchig. Methoden, Instrumente und vor allem auch die Ziel- und Arbeitsorientierungen müssen neu gedacht und verändert werden, wenn man es mit der Genderperspektive ernst nimmt.

Eines dieser neuen, an der Genderperspektive orientierten Projekte ist ein Kreditprogramm mit den der ethnischen Gruppe der Mam angehörenden Frauen in zwei Gemeinden des Departaments von Quetzaltenango, im westlichen Hochland von Guatemala. Dabei steht nicht nur die Verbesserung der produktiven Rolle der Frauen im Mittelpunkt, also die Schaffung von Einkommen – Kredite werden auch als Mittel zum „Empowerment “ von Frauen verstanden. Sie sollen gezielt über ihre Rechte aufgeklärt werden, ihr Selbstvertrauen steigern und als aktive Bürgerinnen Beteiligung, Entscheidungs- und Meinungsbildung üben.

Über den Zugang zu Krediten hinausgehend, soll mittelfristig ein Sozialfonds eingerichtet werden, der den Kreditnehmerinnen in Notfällen finanzielle Unterstützung bietet. Wichtig in der Zusammenarbeit mit den ländlichen und sehr tradtionellen Mam-Frauen ist auch die Einbeziehung der Männer – als Ehemänner und Söhne – in eine Reflexion über ihre Rolle innerhalb der Geschlechterverhältnisse.

Der Respekt vor kulturellen Praktiken und indianischen Traditionen verlangt von der Projektdurchführung natürlich viel Sensibilität und methodisches Feingefühl bei der Behandlung dieser spezifischen Themenbereiche.

Doch in Zeiten der radikalen Kürzungsszenarios bleiben Projekte wie diese auf der Strecke. Offiziell fördert die österreichische EZA die „Genderkriterien“ usw. …

Zurück zum Gespräch mit Herrn Danninger. Argumente wie der Verweis auf die langen Vorarbeiten, die Einbeziehung der neuen Partner in die Ausbildungsprozesse, durchgeführte Machbarkeitsstudien, die finanziellen Implikationen der Einführung einer Genderperspektive zählen nicht, nützen nichts, prallen an der Realität der EZA-Beamtenwelt ab. Kein Geld, keine Zusammenarbeit. Dort, wo noch kein Vertrag exisiert, können wir für das Jahr 2000 nur abwinken.

Und ein solcher Vertrag existierte zu Jahresende nur mit fünf der im neuen Programm 2000 zehn vorgesehenen Projektpartner. Das Gesamtvolumen von rund 12 Millionen der vom IIZ für Guatemala im Bereich der ländlichen Entwicklung angesuchten EZA -Mittel hat sich seit Jahren nicht erhöht. Für 2000 hatten wir Umschichtungen vorgenommen, um Mittel zugunsten neuer Partner frei zu machen.

Auch diese Argumente legten wir dem EZA-Vertreter vor. Sehr kurz und klar dazu seine Antwort: „Gut für uns, und schlecht für Sie.“

Kann das sein, dass die Rechnung so simpel ist? Wie sollen wir den Organisationen erklären, dass jetzt kein Interesse mehr herrscht für neue Genderansätze? Was soll mit den begonnenen Ausbildungsprozessen passieren?

Unsere Niedergeschlagenheit und Ratlosigkeit wurde zu beschwichtigen versucht: „Wir sind in Managua gern bereit, alle Beschwerdebriefe entgegenzunehmen, aber machen können wir dort halt auch nichts.“ Einigen unserer Partnerorganisationen wurde die letzte Teilzahlung der bereits vereinbarten Projektmittel für 99 nicht mehr ausbezahlt. „Unsere Kassen sind leer“, schrieb das IIZ per e-mail Anfang Dezember aus Wien.

Ungläubigkeit und Resignation machen sich bei unseren Partnern breit. Auch sie haben ihre Verpflichtungen mit den Basisorganisationen in vielen Fällen schon recht weit vorangetrieben.

Die Autorin ist Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin und arbeitet seit 14 Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit in Lateinamerika. Derzeit koordiniert sie die Projekte des IIZ in Guatemala.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen