Dieser Leitartikel ist ungewöhnlich. Journalistischen Kriterien gemäß dürfte es ihn gar nicht geben, denn er handelt allein von einer einzigen Person, und die ist obendrein der Autor selbst.
An solchen Eckpunkten des Lebens bemüht man gerne die Metapher vom weinenden und vom lachenden Auge: Mit Ende Februar trete ich in den so genannten Ruhestand. Und ich will gleich eingangs gestehen, dass dabei das lachende Auge wesentlich intensiver aktiv ist als das weinende. Ich freue mich einfach ungemein darauf, dass ich nun in eine Lebensphase trete, in der ich nicht nur mehr und länger reisen kann, sondern auch mehr Zeit habe zum Lesen und zum Schreiben und zum Denken. Auf das Nachdenken über grundlegende Fragen unseres Daseins freue ich mich ganz besonders.
Als Aktivist der „Informationsgruppe Lateinamerika“ (IGLA) war ich schon von Anfang an, Ende der 1970er Jahre, in die Bemühungen um die Gründung des „Österreichischen Informationsdienstes für Entwicklungspolitik“ (ÖIE), der heutigen Südwind Agentur, intensiv eingebunden, gehörte dem ersten Vorstand an und war etwa ein Jahrzehnt lang ehrenamtlich für die Zeitschrift „Entwicklungspolitische Nachrichten“ (EPN) tätig. Ich hatte ja nie einen Berufswunsch vor Augen, geschweige denn eine Karriere, doch wusste ich immer, was ich nicht tun wollte. (Sehr zu empfehlen, diese negative Selektion!) So landete ich schließlich bei der Arbeit mit einer Zeitschrift und beim Schreiben selbst, und fand nicht nur Freude dabei, sondern auch große Genugtuung, etwas tun zu können, was meinem Bestreben, meinen Intentionen entsprach.
Rückblickend erhebt sich die Frage, ob ich durch meine Tätigkeit etwas erreichen, verändern, verbessern konnte. Wobei diese Frage an und für sich fragwürdig ist, wenn sie sich auf eine Einzelperson bezieht. Es ist das Wir, das etwas erreichen, bewegen kann. Wir, viele zusammen, können etwas aufzeigen, offen legen, zum Sehen hinführen und zum Handeln ermuntern, ob es nun in einer Menschenrechtsorganisation oder einer Solidaritätsgruppe, in einer Redaktionsstube oder einer Friedensinitiative ist.
Damit es jetzt nicht so klingt, als hätte ich mich mein ganzes Leben lang hingebungsvoll für eine gute Sache aufgeopfert: Nein, ich war immer dankbar für diese Art von „Berufsleben“, das mir die Gelegenheit gab, viele interessante Menschen kennen zu lernen, viele Gleichgesinnte, die dieselben Wünsche, Vorstellungen und Träume teilten und auch viele beispielhafte Persönlichkeiten, die den eigenen Horizont erweitern. Für diese wunderbare Komponente meiner Arbeit bin ich allen Beteiligten – und das waren und sind viele – dankbar. Genauso wie dem Südwind, der mir die leider so seltene Möglichkeit gab, ein Herzensanliegen mit einem Beruf zu verbinden. Dieses Glück habe ich immer schon als ein Geschenk und ein Privileg empfunden.
Auch im so genannten Ruhestand werde ich mein Tun der wichtigsten Aufgabe widmen, die ich kenne: daran zu arbeiten, künftigen Generationen eine bessere, gerechtere, menschenwürdigere Welt zu hinterlassen. Ein bisschen reduzierter vielleicht …
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